Atommüll aus dem AKW Obrigheim hat Spandau umschifft

Strahlende Fracht kam nicht am Rathaus der Havelstadt vorbei

Ergänzung vom 6. November 2012 aus aktuellem Anlass.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz hatte dem Mitglied des berliner Abgeordnetenhaus Daniel Buchholz kürzlich bestätigt, dass es einen Transport strahlender Güter durch spandau gegeben hat. Der Frachter „EDO“ soll über Nacht 100 Meter oberhalb der Spandauer Schleuse im Spandauer See gelegen haben. Die Spandauer Behörden waren nicht informiert. Das Atomgesetz schreibt nur für den Transport von Kernbrennstoffen und gößeren Strahlungsquellen eine meldung an die Gebietskörperschaften vor.

So einfach ist das also! Augen zu und durch, es könnte sich ja Protest regen. Darum erfolgte der Transport in einer Nacht- und Nebelaktion“. Letzterer Satz ist eigentlich falsch. Umweltaktivisten verfolgten die Route fast stündlich und gaben damals regelmäßig Positionsmeldungen über eine Internetseite bekannt. Auf dem Transportweg gab es durchaus Protestaktionen. Auch wenn es sich bei den Resten des Atomkraftwerkes nur um relativ schwach strahlenden Atommüll handelt, zeugt die nicht vorhandene Informationspolitik von Ignoranz den Bürgern gegenüber. Zudem wäre es spannend zu wissen, was im Falle einer Havarie geschehen wäre. Hätte man erst anschließend die Helfer über die Ladung informiert, frei nach dem Motto “ … ach Übrigens …“? Wie sollen Behörden sachgerecht reagieren können, wenn selbst sie keine Informationen bekommen?

Der „Atomtransport“ durch Spandau wurde am 31.10. zum Thema in der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung.

Warnung vor radioaktiven Stoffen
Warnung vor radioaktiven Stoffen

veröffentlicht am 2. Juni 2012: Fast hätte es eine Premiere in Spandau gegeben. Der erste Atommülltransport des Bezirks hätte am Freitag durchaus seinen Kurs über die Havel am Rathaus Spandau vorbei nehmen können. Nach Angaben von Atomkraftgegnern hätte das Transportschiff mit seiner strahlenden Ladung möglicherweise am 1. Juni in Spandau vor Anker gehen können, um hier eine Nacht zu verbringen.

Wie es den bisherigen unterschiedlichen Presseberichten zu entnehmen ist, wurden Bürgermeister der zu passierenden Orte nicht über den Atommülltransport informiert. Wusste auch in Spandau niemand von der möglichen strahlenden Fracht durch den Bezirk? War die Feuerwache Süd informiert, an deren Station der Transport vorbeigeschippert wäre? Das Schiff nahm schließlich den alternativen Weg von Brandenburg über Wustermark, Brieselang, Schönwalde und Niederneuendorf auf dem Havelkanal, der im Norden Spandaus in den Niederneuendorfer See mündet. Weiter ging es dann über Hennigsdorf nach Oranienburg.

Atommüll-Transport per Schiff, voraussichtlicher Streckenverlauf: Obrigheim – Lubmin auf einer größeren Karte anzeigen

 

  • Bilder vom Schiffstransport gibt es hier

 

Mangelhafte Informationspolitik

Atommüll, zwei leicht kontaminierte Dampferzeuger (17 Meter lang und 160 Tonnen schwer) und zwei Pumpenmotoren, aus dem am 11. Mai 2005 stillgelegten Atomkraftwerk Obrigheim in Baden-Württemberg soll auf dem Wasserweg zum Zwischenlager Nord in Lubmin transportiert werden. Dort sollen die Teile zerlegt und dekontaminiert werden. 1500 Kilometer quer durch Deuschland.

Betrieben wurde das AKW mit einem leichtwassermoderierten Druckwasserreaktor vom Energiekonzern EnBW Energie Baden-Württemberg.

Der Sprecher von EnBW wollte selbst keine näheren Auskünfte zur Radioaktivität der Ladung geben: Messwerte würden nicht „kommuniziert“ werden. Wenn, wie behauptet, die Messwerte weit unter den Grenzwerten liegen, stellt sich natürlich die Frage, warum solche Werte nicht an die Öffentlichkeit gegeben werden. Greenpeace soll da ganz andere Vorstellungen von der Gefährlichkeit der Fracht haben.

Am 22. Mai startete ein Schubverband, bestehend aus dem Zugschiff „Edo“ und dem Schubschiff „Lastdrager 40“ in Obrigheim. Die Polizei hielt sich mit ihren Meldungen sehr bedeckt. Das Polizeipräsidium Potsdam bestätigt gerade einmal, dass ein Schubverband die Wasserstraßen während des Wochenendes befahren wird, während das Umweltministerium in Potsdam diffus von „einem Transport sonstiger radioaktiver Stoffe“ sprach. Bis zum Schluss war nicht klar, ob die radioaktive Fracht über Spandau oder Brieselang verschifft werden soll.

Interessanterweise benötigen Binnenschiffe – im Gegensatz zu LKWs – anscheinend keine spezielle Kennzeichnung für den Transport radioaktiver Materialien. Kein Außenstehender hat also die Chance zu erkennen, was dort transportiert wird. Einzige Kennzeichnung war eine Markierung mit blauen Kegeln, die als Hinweis auf gefährliches Frachtgut gelten. Was wäre eigentlich bei einer Havarie geschehen, da anscheinend auch die Feuerwehr nicht informiert wurde?

Angemeldete Protestaktionen gegen den Transport liefen wohl eher ins Leere, da die genaue Transportstrecke und Passierzeiten nicht bekannt waren. Unterwegs hatte der Transport wohl einiges an Zeit verloren, weil Schwimmer das Schiff Nordöstlich von Magdeburg gestoppt haben sollen, konnte dies aber auch wieder aufholen.

Der Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen, Benjamin Raschke, kritisierte die mangelhafte Informationspolitik: „Die Verheimlichungspolitik im Zusammenhang mit Atomtransporten muss endlich ein Ende haben.“ Stadtverwaltungen, Feuerwehr und Polizeidienststellen vor Ort wurden vorher nicht informiert. Oranienburgs Bürgermeister reagierte anscheint recht sauer darauf. Zu Recht, würde ich sagen …

 

Ralf Salecker

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)