Johann Gottfried Kinkel

Carl Schurz und Gottfried Kinkel in Spandau

Vom Hochverräter zum Innenminister

Carl Schurz
Carl Schurz

Manchmal, wenn wir über Straßennahmen „stolpern“, fallen uns diese Geschichten wieder ein… Vor ihrer Rückbenennung in Jüdenstraße trug diese den Namen Kinkelstraße. Gottfried Kinkel erblickte vor 200 Jahren, am 11. August 1815, bei Bonn das Licht der Welt. Der Weg des Pastorensohns und Demokraten führte ihn irgendwann einmal auch nach Spandau.

Unser Grundgesetz ist runde 66 Jahre alt geworden. Für viele ist Demokratie inzwischen ein gewohnter, ja fast langweiliger Zustand geworden.

Vor rund 166 Jahren war dies ein wenig anders gewesen. Im Süden Deutschlands keimte der Wunsch nach einer Republik. An den Universitäten, in Turner-Bünden und anderen Vereinigungen gärte es. Man war der Monarchie überdrüssig geworden. Bewegte Diskussionen wurden geführt, über Wege und Möglichkeiten zur Demokratie.

Schnell reifte die Erkenntnis, dass die gewünschten Grundrechte innerhalb einer Monarchie nicht zu verwirklichen waren. Gewalt erschien als das einzig mögliche Mittel. Eine Gewalt, auf die die herrschende Monarchie heftig reagierte.

Zwei bedeutende Vertreter dieser Revolutionäre von 1848 haben auch in Spandau ihre Spuren hinterlassen: Carl Schurz und Gottfried Kinkel. Beide gelten als Begründer demokratischer Gedanken in Deutschland.

Johann Gottfried Kinkel
Johann Gottfried Kinkel

Gottfried Kinkel, erst Theologe dann Kunsthistoriker und später Abgeordneter in der 2. Preußischen Kammer, sowie Carl Schurz, Historiker und Philologe, beide gemeinsam Redakteure der „Neuen Bonner Zeitung“ – mit revolutionär demokratischer Ausrichtung. Kinkel würde heute als extremer Linker bezeichnet werden.

1848 kam es zu einer revolutionären Bewegung. Kinkel und Schurz sympathisierten offen mit ihren Gedanken und schlossen sich 1849, als der Stern der Revolution schon sank, den bewaffneten Revolutionären in Baden an.

Im Sommer 1849 verschanzten sich einige tausend Teilnehmer des badisch-pfälzischen Aufstandes in der Festung Rastatt. Die Festung fiel. Carl Schurz entkam der Gefangennahme durch ein Abwasserrohr, während der verletzte Kinkel in Haft genommen und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde – zu verbüßen im Zuchthaus in Spandau, welches sich im Bereich der heutigen Spandauer Altstadt befand. Am 11. Mai 1850 wird er dort eingeliefert.

Die Frau Gottfried Kinkels schickte einen verzweifelten Brief an Carl Schurz, in dem sie um dessen Hilfe bat. Dieser konnte sich gut vorstellen, wie es seinem Freund, dem Freigeist, in der Gesellschaft von Verbrechern  – eingesperrt in engen Mauern –  ergehen müsse.

Carl Schurz verlässt die sichere Schweiz und reist – steckbrieflich als Hochverräter gesucht – unerkannt nach Spandau, wo er am 11. August eintrifft. Von Freunden in Bonn bekommt er Geld, um eine Flucht zu organisieren.

Gemeinsam mit dem Spandauer Gastwirt Krüger beginnt er die Planung. Ein Befreiungsversuch  unter Anwendung von Gewalt ist bei diesem gut bewachten Gefängnis offensichtlich unmöglich. Bestechung scheint die einzige Möglichkeit zu sein. Nach vielen vergeblichen Versuchen finden sie den zur Tat bereiten Gefängniswärter Brune.

Dieser wollte den Schlüssel zur Zelle entwenden und den Gefangenen durch das Gefängnistor ins Freie lassen. Zur Enttäuschung aller Beteiligten schlägt dieser Versuch fehl. Der Schlüssel liegt nicht am üblichen Ort.

In der nächsten Nacht soll ein Befreiungsversuch mit ungleich höherem Risiko in Angriff genommen werden. Diesmal soll Kinkel aus der obersten Etage mit einem Seil herabgelassen werden. In der Nacht vom 6. auf den 7. November 1850 wartete Carl Schurz angespannt in der Dunkelheit. Das Glück ist ihnen gewogen. Die Aktion gelingt, ebenso die vorbereitete Flucht über die Ostsee nach England.

Während Kinkel in Zürich eine Professur für Literaturgeschichte annimmt und weiter die  Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten in Deutschland anprangert, wandert Carl Schurz in die Vereinigten Staaten aus und lernt dort den späteren Präsidenten Abraham Lincoln kennen. In verschiedenen Positionen kämpft er gegen die Sklaverei und wird später sogar Innenminister der Vereinigten Staaten.

Der Gefängniswärter der Kinkel zur Flucht verhalf, wurde für wenige Jahre inhaftiert, kam dann  später frei und hat von dem Bestechungsgeld für die Flucht ein gutes Leben geführt. Der beteiligte Gastwirt wurde zwar nicht verurteilt, verlor aber seinen Stadtratsposten in Spandau, wie auch seine Schanklizenz.

Ralf Salecker

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)