Der Spandauer Bär wurde vom Sockel gerissen

Vandalismus nahe der Landesgrenze

Der "Berliner Bär" stand auf der Heerstraße gleich hinter der Stadtgrenze. Die Figur wurde 1971 von Lilly Voigt geschaffen. (Foto: Ralf Salecker)
Der „Berliner Bär“ stand auf der Heerstraße gleich hinter der Stadtgrenze. Die Figur wurde 1971 von Lilly Voigt geschaffen. (Foto: Ralf Salecker)

Manche Dinge sind so sehr ein Teil des Spandauer Stadtbildes geworden, das sie erst wieder auffallen, wenn sie fehlen. Der „Berliner Bär“ auf der Höhe Heerstraße 691, nahe der Grenze zu Brandenburg wurde vom Sockel gerissen. Am frühen Morgen gegen 5 Uhr soll es laut Auskünften von Anwohnern einen lauten Knall gegeben haben. Erst um 13 Uhr wurde eine Polizeistreife auf die heruntergerissene Figur aufmerksam gemacht. Dies ist schon recht erstaunlich. Hunderte von Autofahren müssen in dieser Zeit daran vorbeigefahren sein. Offensichtlich hat es niemanden interessiert.

Am 10. April 1968 wurde der Berliner Bär aus Spezialbeton im Beisein seiner Schöpferin, der Bildhauerin und Malerin Lily Voigt, an der Grenz-Kontrollstelle Staaken von Bezirksbürgermeister Dr. Herbert Kleusberg der Öffentlichkeit übergeben. Dort sollte die Figur nicht für immer bleiben. Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, nach der Neugestaltung der Grenzabfertigungsanlagen, bekam er einen Platz auf der Höhe der Bergstraße. Im Zuge der Widervereinigung kam West-Staaken wieder zu Spandau zurück. Seit 1990 steht der Berliner Bär an der ursprüngliche Stadt- und Landesgrenze Berlins. Eine 1,5 Tonnen schwere Kopie des Spandauer Bären steht übrigens in der Partnerstadt Siegen.

Bären begrüßen die Berlinbesucher

Jahrzehnte begrüßte dieser Bär jeden, der durch das Gebiet der DDR nach Berlin wollte, die Ankömmlinge. Insgesamt drei solcher Bären gibt es an den Berliner Autobahnen in der Nähe der alten Grenzübergänge: Die Stein-Skulptur von Lily Voigt im Westen, der bekanntere Bronzebär der Künstlerin Renée Sintenis (1888-1965) am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden im Süden und an der A 11 im Norden, der Berliner Bär aus dem Jahr 1983 von Günter Anlauf, aus Aluminium.

Der Bronzebär von Dreilinden hat noch aus ganz anderen Gründen eine größere Bekanntheit erreicht. Seine kleinen Brüder werden seit 1951 alljährlich auf der „Bärlinale“ als Trophäen in Gold, Silber und Bronze überreicht. Die Bären wurden 1951 in mehreren Kategorien vergeben: „Drama“, „Komödie“, „Kriminal- oder Abenteuerfilm“, „Musikfilm“ und „Dokumentarfilm“. Walt Disneys Cinderella war der große Sieger, weil der Film nicht nur einen Goldenen Bären von der Jury, sondern auch den ersten Publikumspreis gewann.

Der Bär in Berlin

Das erste nachgewiesene Siegel mit Bären stammt vom 22. März 1280. Es befindet sich auf einem Gildebrief der Berliner Kürschner und stellt zwei gepanzerte Bären als Schildhalter dar, die mit erhobener Tatze voneinander abgewendet sind und sich dennoch rücklings anblicken. Das Siegel trägt die Inschrift „Sigillum burgensium de berlin sum“ (‚ich bin das Siegel der Bürger von Berlin‘). Die erhobene Tatze soll hier bereits die Selbständigkeit Berlins symbolisieren. Allerdings herrscht im Siegel an zentraler Position noch der Brandenburger Adler.

Die Herrschaft des Brandenburger Adlers beziehungsweise die Koexistenz mit ihm zieht sich noch bis ins 19. Jahrhundert. Ein Siegel von 1338 mit der Inschrift „S[igillum] Sekretum Civitatis Berlin“ („Geheimsiegel der Stadt Berlin“) zeigt den Berliner Bären bezwungen durch ein Halsband mit wehendem Adlerschild, ein anderes von 1460 zeigt ihn mit aufreitendem Adler. Die letztere Siegelvariante wird als Unterwerfung Berlins nach dem „Berliner Unwillen“ aus den Jahren 1447/1448 durch Friedrich II. Eisenzahn gewertet. Dieses Siegel wurde bis um 1700 mit der Inschrift „sigillum civitats antiqui berlin“ (‚Das Siegel der alten Stadt Berlin‘) verwendet.

Mit der Gründung der Residenzstadt Berlin am 17. Januar 1709 wurde der Bär noch als gebändigter Bär mit Halsband unter der Herrschaft des Preußischen und des Brandenburger Adlers dargestellt. Im Jahre 1839 hat sich die Vorherrschaft des immer noch gebändigten Bären gegenüber den Adlern bereits durchgesetzt und im Jahre 1875 zeigt das Berliner Wappen bereits einen wilden ungebändigten Bären mit zotteligem Fell und ohne Halsband.

Nach dem Zusammenschluss zu Groß-Berlin im Jahr 1920 wurde im Jahre 1935 der Berliner Bär zum alleinigen Wappentier. Seitdem wird er aufrechtgehend und krallenbewehrt dargestellt. (Wikipedia)

Wahrscheinlich nur eine schöne Geschichte ist die Vorstellung, dass dieses Symbol auf Albrecht den Bären zurückgehen soll. Die derzeit herrschende Meinung der Mittelalterforscher führt den Stadtnamen auf die slawische Silbe berl (Sumpf) zurück.

Rund 500 Bären in unterschiedlichsten Ausarbeitungen sollen die Stadt und ihre Bezirke bevölkern. Dem Tier im Berliner Wappen kann also niemand entgehen.

 

 

* Lily Voigt wurde 1914 in der Schweiz geboren und lebte viele Jahre in Jockgrim. Themen wie Mitmenschlichkeit, Mitverantwortlichkeit und Liebe wollte sie mit ihren Kunstwerken visualisieren. Lily Voigt war gleichzeitig Malerin und Bildhauerin. Im Jahr 2000 starb Lily Voigt verarmt in Jockgrim.

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)