Emilio Paolini liebt es, einen Moment aus der Realität herauszuschneiden

Teil 3 der Serie: „Wir fotografieren in Spandau“

Eine kurze persönliche Vorstellung. Wer/was bin ich?

Ich bin Jahrgang 1966, nach Schule und Ausbildung ging ich sofort zur Selbständigkeit über und verdiene meine Brötchen seit dem als Unternehmer vornehmlich in den Branchen IT und Öffentlichkeitsarbeit. Ich bin Geschäftsführender Mitinhaber von zur Zeit drei Unternehmen. Seit 2011 bin ich ausserdem Bezirksverordneter in der BVV Spandau von Berlin und seit 2012 Mitglied der Vollversammlung der IHK Berlin.

Selbstportrait (Foto: Emilio Paolini)
Selbstportrait (Foto: Emilio Paolini)

Wie sind Sie zur Fotografie gekommen? Wann haben Sie Ihr erstes Foto gemacht?

Ich beschäftige mich eigentlich schon immer mit Fotografie, intensiver jedoch erst, seitdem es digitale Kameras gibt. Das Entwickeln von Filmen (und das Warten dabei) war nicht so meins. Schon in meiner Jugend habe ich daher mit den ersten Sofortbildkameras experimentiert, leider waren die „Filme“ dafür sehr teuer. Mit der Digitalen Fotografie kam dann „meine Zeit“, wobei ich aus beruflichen Gründen die Fotografie lediglich als Hobby betreiben konnte.Seit einiger Zeit bin ich jedoch dabei, mich stärker zu professionalisieren, was das Setup betrifft. Es kommt mir dabei sehr gelegen, das ich mehrere Räumlichkeiten in Berlin habe, die sich für Studio-Shoots eignen.

Warum fotografieren Sie?

Ich liebe es, einen Moment oder eine Situation aus der Realität herauszuschneiden und dem Bild durch die Komposition, das Licht, die Entwicklung und alle anderen Gestaltungsmöglichkeiten meinen Stempel aufzudrücken.

Wo liegen Ihre fotografischen Schwerpunkte? Was fotografieren Sie besonders gerne?

Um ehrlich zu sein, bin ich da noch auf der Suche. Früher habe ich eher Dinge in meinem Umfeld fotografiert (Architektur, Landschaft, Pflanzen/Tiere) und es vermieden, Menschen zu fotografieren. Inzwischen mache ich sehr gerne Porträt-Fotografie, aber auch Street bzw. Fotos aus meinem Bezirk/Kiez.

Portrait H. Hirth (Foto: Emilio Paolini)
Portrait H. Hirth (Foto: Emilio Paolini)

Gerne fotografiere ich auch auf Veranstaltungen (indoor/outdoor) und stelle Menschen dar, die sich für irgendetwas engagieren. Letzteres könnte man als „environmental portrait“ bezeichnen. In jüngster Vergangenheit habe ich ein paar Euro mit Pressefotografie verdient, das finde ich auch ganz spannend. Ab und zu experimentiere ich, z.B. mit HDR-Aufnahmen, vor allem im Innenbereich.

Haben Sie Ihre Bilder schon einmal der Öffentlichkeit präsentiert?

Nicht in Form einer Ausstellung. Einige Fotos wurden in der Broschüre zum Spandauer Bürgerhaushalt verwendet und die (bezahlten) Pressefotos landen natürlich dann in der Tagespresse.

Wo sind Ihre Fotografien online zu finden?

Hier findet sich eine Liste meiner Online-Profile: www.urban-thinking.de/photo/

Was ist für Sie eher schwierig zu fotografieren?

Kann ich so nicht sagen, bisher konnte ich alles, was ich fotografieren wollte auch irgendwie hinbekommen.

Gibt es Orte, Objekte oder Personen die Sie unbedingt fotografieren möchten?

Ja. Hunderte :D

Plan B Kicker Raum (Wilhelmstadt Spandau) (Foto: Emilio Paolini)
Plan B Kicker Raum (Wilhelmstadt Spandau) (Foto: Emilio Paolini)

Auf meiner (nicht niedergeschriebenen und daher imaginären) Liste stehen diverse Geschäfte in der Spandauer Wilhelmstadt, viele Menschen, die ich aus meinem Kiez so kenne, einige verlassene Orte (Ruinen, Bahnhöfe) in Spandau und Umgebung sowie Projektideen, die ich mal umsetzen möchte.

Fotografieren Sie eher alleine oder gemeinsam mit anderen?

Bisher eher allein, wobei ich zunehmend Bedarf an einer Assistenz feststelle und mir ab und an auch schon jemanden dazu geholt habe. Gerade beim Ausleuchten der Motive mit Blitz oder Reflektor und auch zum Aufbau bzw. Transport des Equipments ist eine helfende Hand sehr nützlich.

Haben Sie schon einen eigenen Stil gefunden? Wie ließe sich dieser beschreiben?

Die Suche nach einem eigenen Stil ist ja unter anderem das, was Fotografen antreibt. Ich möchte nicht behaupten, dass ich bereits einen eigenen und erkennbaren Stil habe, aber ich mag – vor allem bei Porträts – das, was einige als „comicmäßig“ bezeichnen. Technisch gesehen ist das eher ein „Bleach Bypass“ also Fotos mit hohem Kontrast, etwas kalten und entsättigten Farben sowie hoher „Definition“. Das klappt besonders gut bei urbanen Motiven und männlichen Porträts.

Anons auf Anti-Scientology Demo (Foto: Emilio Paolini)
Anons auf Anti-Scientology Demo (Foto: Emilio Paolini)

Welche Fähigkeit ist beim Fotografieren am meisten gefragt?

Hier kommen einige Fähigkeiten zusammen, was es ja so interessant macht. Man braucht natürlich die Gabe visueller Vorstellungskraft. Des weiteren muss man die technischen Aspekte seiner Ausrüstung im Griff haben um der Situation entsprechend das Bild machen zu können, welches man im Kopf hat. Bzgl. der Bildgestaltung sollte man alle wichtigen Regeln sowohl kennen als auch verstanden haben. Entweder, um sie anzuwenden oder um sie gezielt zu brechen. Bei der Personenfotografie ist es zwingend notwendig, mit Menschen umgehen zu können.

Der erfolgreiche Porträt-Fotograf Peter Hurley sagt dazu: „Ich bin 90% Therapeut und 10% Fotograf!“.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach ein besonderes Bild aus?

Ich habe mich viele Jahre mit Bildkomposition und Regeln beschäftigt sowie mir (mindestens) eine dreistellige Anzahl von kommentierten Foto-Kritiken in Wort und Video reingezogen, sodass ich hier wohl einiges schreiben könnte. Letztlich kann ich es für mich jedoch auf folgenden Nenner bringen:

Ein Bild muss funktionieren!

Viele Bilder funktionieren durch Beachtung der Regeln, manche Bilder funktionieren durch Missachtung der Regeln. Es gibt Bilder, die funktionieren, ohne dass man sagen kann, warum. Auch der Begriff „funktionieren“ ist schwer zu erklären. Für mich erzeugt ein funktionierendes Bild ein Gefühl in mir, ähnlich wie es bei einer guten Musik oder einem tollen Geruch der Fall ist.

Ein „besonderes Bild“ zwingt den Betrachter, länger hinzuschauen. Noch mal hinzuschauen. Das Bild abzusuchen. Und/Oder über seine plötzlichen Gefühle nachzudenken.

BEHALA Gelände Wilhelmstadt (Foto: Emilio Paolini)
BEHALA Gelände Wilhelmstadt (Foto: Emilio Paolini)

Wie wichtig ist Ihnen die Meinung anderer, bezüglich der eigenen Bilder?

Was ich nicht besonders mag, ist Kritik (vor allem positive) ohne weitere Erklärungen. Anstatt ein „Tolles Foto!“ höre ich lieber ein „Das ist Mist, weil …“. An jeder negativen Kritik kann ich mich abarbeiten, mein Schaffen verbessern. Das ist mir tausend mal mehr Wert, als ein nicht weiter qualifiziertes Kompliment. Wer Komplimente möchte, braucht seine Bilder nur bei Facebook & Co. posten. Freunde und Familie finden fast alles toll, was man postet. Oder mögen einen ausreichend, um wenigstens so zu tun … :D

Gibt es ein fotografisches Vorbild?

Ja, sehr viele sogar. Eigentlich für fast jeden fotografischen Bereich. Ich nenne mal einige exemplarisch.

  • Für Porträts der schon erwähnte Peter Hurley.
  • Für sein Gesamtwerk und seine Blitzlicht-Fotografie der geniale Joe Mcnally.
  • Als jemanden, der weiß, wie man HDR richtig einsetzt, schätze ich natürlich RC Conception.
  • Ich mag die unverkennbare fotografische Handschrift von Joel Grimes.
  • „My style and approach is simple, bold, classic, and true.“ sagt Zack Arias. Ich mag seine Street Fotos. Und ich mag seine Art. Unberechenbar und direkt. Frech, manchmal hart.

Das ist wirklich nur eine kleine und nicht repräsentative Auswahl, es gibt (und gab!) so viele tolle Fotografen und ich verbringe viel Zeit damit, mich mit ihrem Schaffen zu beschäftigen. Das nennt mal wohl Hobby. Oder Passion?

Fotografieren Sie digital oder analog? Wann sind sie „ins digitale“ gewechselt?

Shoes (Foto: Emilio Paolini)
Shoes (Foto: Emilio Paolini)

Ich hatte mir mal so um 1990 herum eine analoge Spiegelreflex gekauft (Minolta Dynax 5000i) aber wie ich schon weiter oben schrieb, bin ich mit der Analog-Fotografie nie glücklich geworden. Ich fotografiere daher seitdem ausschliesslich digital. Keine Ahnung mehr, wann ich die erste DigiCam hatte, aber so um 1996-97 gab es ja schon die Olympus Camedia. Vorher hatten wir bereits diese fipsigen Dinger aus dem PC Bereich, also etwas bessere Web-Cams von Logitech und diverser andere Foto-KrimsKrams. Da ich damals einen PC/Hardware-Handel hatte und auch viel auf Einkaufsmessen war, wurde da alles mögliche an Fernost-Spielzeug „angeschwemmt“. Was anständiges war allerdings nicht dabei. Geliebt habe ich dann meine Canon Ixus v2, die ich wirklich immer „am Mann“ hatte, das Ding war einfach unkaputtbar und – weil immer dabei – wohl mein richtiger Einstieg in die Digitalfotografie. Das muss dann aber schon so 2002/03 gewesen sein.

Spielt der Zufall beim Fotografieren eine besondere Rolle oder ist alles geplant?

Beides kommt vor und hat seine Berechtigung. Ich mag fein säuberlich durchdachte und aufgebaute Sets, wo man jedes Detail vorher plant und dann ein tolles Bild raus kommt. Da ich aber auch ein Fan von Street-Photography bin, laufe ich mit meiner „alten“ Kamera einfach mal durch die Stadt und „halte drauf“.

Spielt die digitale Bildbearbeitung eine Rolle? Wenn ja welche?

Rathaus Spandau (Foto: Emilio Paolini)
Rathaus Spandau (Foto: Emilio Paolini)

Ich unterscheide hier zwischen Bildbearbeitung und Entwicklung (auch wenn die Grenzen langsam verschwimmen bzw. eher „sich ausdehnen“). Unter Entwicklung verstehe ich das, was die gängigen Programme zur RAW-Konvertierung (Camera Raw, Lightroom, Aperture) bieten und mit welchen aus dem „Digitalen Negativ“ das eigentlich „Produktiv-Bild“ hergestellt wird. Die Entwicklung ist für mich ein sehr wichtiger Teil des Schaffensprozesses und macht mir mindestens genauso viel Spass, wie das eigentliche Fotografieren. Während beim Fotografieren viele formale und technische Dinge beachtet werden müssen, kann man bei der Entwicklung seiner künstlerischen Ader freien Lauf lassen und das eigentliche Bild entsprechend seiner eigenen künstlerischen Vorstellungen entstehen lassen. Früher hatte man diese gestalterischen Möglichkeiten in der Dunkelkammer (und sie wurden ausgiebig genutzt). Ich bin übrigens der Meinung, DAS Bild existiert nicht, bevor man es selbst digital entwickelt hat. Was man üblicherweise als DAS Bild bezeichnet (was nämlich im Kamera-Display zu sehen ist), ist eine standardisierte Bearbeitung des digitalen Negatives durch die vom Hersteller zusammengestellte Software in der Kamera. Es leuchtet ein, dass es sich dabei wirklich nur um eine normierte Interpretation handeln kann, die ja für möglichst viele Motiv/Bildsituationen und einen „breiten Geschmack“ passen soll.

Entsprechend der vorgenannten Definition betreibe ich selbst *keine* digitale Bildbearbeitung, sondern nur digitale Entwicklung.

Womit fotografieren Sie? Ist die Ausrüstung von Bedeutung?

Hier ist eine Liste meiner Ausrüstung und „nein“, die Ausrüstung ist völlig nebensächlich. Wenn ich Street-Photography mache, benutze ich z.B. meine „alte“ Nikon D50, die ist inzwischen fast zehn Jahre alt, aber macht tolle Bilder. Wenn ich nichts dabei habe, benutze ich mein iPhone und habe auch damit schon tolle Bilder bekommen.

Blue Bahnhof Spandau (Foto: Emilio Paolini)
Blue Bahnhof Spandau (Foto: Emilio Paolini)

Nicht alles klappt immer perfekt? Was war die lustigste oder ärgerlichste Panne beim Fotografieren?

Puh, will man diese Peinlichkeiten alle erzählen? Was mir schon mal (zum Glück zunehmend seltener) passiert sind Fehleinstellungen in der Kamera. Dann löst der Blitz nicht aus oder die Bilder werden zu dunkel. Beliebte Fehler von mir sind u.a. falsche ISO-Einstellung vom vorigen Shoot oder auch vergessen, das Bracketing wieder auszuschalten. Letzteres kann einen wahnsinnig machen, wenn jedes Bild eine andere Helligkeit hat und man nicht drauf kommt, woran es liegt. Aber egal, jeder Fehler, auf den man reinfällt macht einen klüger und aus diesen Erfahrungen habe ich mir auch angewöhnt, vor jeder Session kurz alle Grundeinstellungen zu checken und bei den ersten Fotos ganz genau auf das Ergebnis zu achten.

Welcher Ort in Spandau ist ein besonders dankbares Fotomotiv, den auch Spandau-Besucher unbedingt aufsuchen sollten?

Ich fahre gerne mit dem Rad die Havel hoch ausgehend von der Schulenburgbrücke in der Wilhelmstadt über das Lindenufer am Rathaus vorbei und dann entweder rechts nach Eiswerder rüber oder aber weiter geradeaus Richtung Bürgerablage. Entlang dieser Strecke finde ich immer wieder interessante Motive.

Cycle (Foto: Emilio Paolini)
Cycle (Foto: Emilio Paolini)

 

 

 

 

 

 

 

 

Teil 3 der Serie, „Wir fotografieren in Spandau“

Unabhängig von Internet-Plattformen, die als eher flüchtiges Podium dienen, geht es mir (Ralf Salecker) hier ausschließlich um in Spandau lebende oder fotografierende Menschen. Mit diesen Portraits möchte ich einfach eine weitere Facette Spandauer Vielfalt zeigen und eine Möglichkeit bieten, sich im Bezirk zu vernetzen. Möglicherweise entwickeln sich daraus auch gemeinsame Foto-Touren oder Foto-Stammtische. Da ich nicht jeden persönlich kennen kann, wähle ich bewusst das formale „Sie“ in der Ansprache.

Jeder, der sich an dieser Portraitserie beteiligen möchte, kann mir gerne eine E-Mail senden. Dann kommt umgehend der Fragenkatalog, der bei jedem gleich ist. Wie und wie lang jeder antwortet, bleibt selbstverständlich jedem selbst überlassen.

Ganz besonders würde ich mich freuen, wenn uch ein paar fotografierende Frauen sich beteiligen würden. Fotografie ist doch keine Männerdomäne…

;-)

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)