Erinnerungen an Omas Laube

Kolonie Gute Hoffnung, nahe dem Spekteweg

Ich war nach 1944 ein paar Jahre bei meiner Oma aufgewachsen. Wir wohnten in der Kolonie Gute Hoffnung, die sich in der Nähe vom Spekteweg befand. Hinter den vielen Gärten konnte man große Wohnhäuser, die zur Zeppelinstraße gehörten, entdecken. Zu der Laube gehörte ein großer Garten, und noch heute habe ich den Geschmack der Pflaumen, die ich direkt vom Baum ernten konnte, im Mund. Auch die Stachelbeeren sind mir noch gut im Gedächtnis. Oft saß ich hinter der Pumpe auf der Wiese zwischen den Mohnblumen, drückte die Blütenblätter nach unten, wickelte einen Grashalm herum, so hatte ich ein Püppchen zum Spielen. Abends sagte ich meinen Blümchen Gute Nacht, nicht ohne vorher den Grashalm zu entfernen.

Morgens verwöhnte Oma mich sehr. Sie lief oft zum Kaufmann und Milchladen in der Zeppelinstraße, um dort in einem Henkeltopf frische Milch und altbackene Brötchen für mich zu holen. Dann machte sie mir Eingebrocktes – das heißt, sie zerbröckelte die Brötchen und darüber kam dann warme Milch und ein paar Löffel mit Zucker. Das war zwar nicht gerade gesund, doch es schmeckte wunderbar.

Omas Laube hatte eine Holzveranda. In der einen Ecke stand eine riesige Papiertüte, in der sich Trockenfarbe befand. Als Oma also eines Morgens wieder beim Kaufmann war, dachte ich mir eine Überraschung für sie aus. Ich holte eifrig die Farbtüte herbei, schüttete Pulver in eine Schüssel und begann mit einem Pinsel kleckerhaft die Farbe auf dem Holz der Veranda zu verschmieren. Ich streckte mich auf die Zehenspitzen, um so weit wie möglich nach oben zu reichen. Hastig beeilte ich mich, schließlich sollte die Freude für Oma groß sein, wenn sie wieder zurück kam. Ja, die Überraschung gelang. Nach dem Trocknen war Omas Veranda mit einem grünen Geschmiere verziert. Ich glaube, es war sehr mühselig für die Erwachsenen, alles wieder abzubekommen.

Ein Erlebnis war es immer für mich, wenn ich auf den Dachboden klettern durfte. Da gab es soviel Geheimnisvolles zu entdecken. In einer Ecke stand ein tolles Papierkino. Eine Papierrolle mit Bildern war zwischen Hölzer gespannt, an der Seite war eine Kurbel, die man drehen musste. Und durch das Drehen hatte man den Eindruck von bewegten Bildern. Schade, dieses Spielzeug landete irgendwann im Ofen.

Am Schönsten jedoch war die Löwenskulptur, die vor Omas Laube stand. Dort setzte ich mich oft auf den Rücken und gab vor den Nachbarkindern mächtig an. Auch der Löwe hatte leider ein trauriges Ende.


Als in späteren Jahren die Laubenkolonien modernen Hochhäusern weichen mussten, wollte unser Onkel Gerhard den Löwen für Oma verkaufen. Es wurde ein Leiterwagen besorgt, und der Löwe sollte dort hinauf gehoben werden. Doch so ein Pech: Das gute Stück rutschte aus der Hand und zerbrach in tausend Einzelteile.

Ich erinnere mich gerne an Omas Garten. Auch wenn nach dem Krieg alle Laubenpieper ringsum nicht reich waren, für uns Kinder war das Spielen in den Gärten das Himmelreich.

Karin Pospich

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