Gefangene auf der Zitadelle in Spandau

Hier geht die Weiße Frau um

Zitadelle Spandau, Bastion König - Foto: Ralf SaleckerWenn die ehrwürdigen Mauern der Zitadelle einen Mund hätten, dann könnten sie viel erzählen. Heute besuchen wir die Zitadelle freiwillig, um uns zu erholen, wir genießen den Blick vom Juliusturm und lassen unseren Gedanken freien Lauf.
Vor langer Zeit war es eine Drohung, wenn es hieß, jemanden mit dem Julius zu bestrafen. Am Fuße des Juliusturms befindet sich ein Gelass, in welches keine Leiter, keine Treppe führt. Gefangene wurden hier durch ein Loch in der Decke herabgelassen.

Viele Gefangene hat die Zitadelle gesehen, einen aber ganz bestimmt nicht, auch wenn es immer wieder gerne behauptet wird: Der Kriegsverbrecher Rudolf Hess verbüßte seine Strafe im Kriegsverbrechergefängnis in der Wilhelmstadt.

Nicht alle Gefangenen waren gleich. Vom einfachen Verbrecher, über Staatsgefangene und Kriegsgefangene bis zu Militärarestanten war alles vertreten – einfache Leute, wie auch solche von Adel.
Kriminelle wurden „klassisch“ in Ketten gelegt. Eine schwere Kugel daran sollte deren Flucht unmöglich machen. Staatsgefangene durften sich oft freizügig innerhalb der Zitadelle bewegen.

Die erste verbürgte Nachricht von einem Staatsgefangenen stammt aus dem Jahre 1402, als der Raubritter Dietrich von Quitzow nach dem Gefecht von Tremmen von den Spandauern gefangen und auf die Spandauer Burg verbracht wird. Markgraf Jobst von Mähren löst ihn, zum Leidwesen der Bürger, gegen Zahlung von 1000 Schock Böhmischer Groschen wieder aus.

Auch von einer Frau unter den Gefangenen wird berichtet. Eine besonders tragische Geschichte berichtet von Anna Dietrich (geb. von Sydow): Die schöne Gießerin, wie sie im Volksmund genannt wird, war die Geliebte von Kurfürst Joachim II. und Frau des Vorstehers der kurfürstlichen Gießhütte in Grimnitz. Auf dem Sterbebett des Kurfürsten musste dessen Sohn Kurfürst Johann Georg ihm versprechen, sich um die Sicherheit und das Hab und Gut von Anna und ihrer beiden Kinder zu sorgen. Offensichtlich hielt die Familie nichts von dieser Verbindung. Kaum war der Vater tot, sperrte man die junge Frau in die Zitadelle und ließ sie dort elendig verhungern. 1575 verstarb sie nach qualvoller Haft; drei Jahre, bevor Rochus Guerrini Graf zu Lynar zum Bauleiter der Zitadelle ernannt wird. Weil ihre Seele keine Ruhe findet, soll sie als Weiße Frau in den Preußischen Schlössern spuken.  Kurz bevor ein Mitglied aus dem Hause Hohenzollern das Zeitliche segnet, erscheint eine Frauengestalt in weißen Gewändern …

Um vergessene Versprechen geht es auch im Fall von Eberhard Danckelmann, preußischer Oberpräsident (Premierminister), der zusammen mit dem Staatsminister Reichsgraf Kolbe von Wartenberg 1698 als Staatsgefangener auf die Zitadelle kommen. Dankelmann hatte einen kometenhaften Aufstieg hinter sich, der viele Neider weckte. Der Große Kurfürst setzte ihn, noch jung an Jahren, als Lehrer des damals fünfjährigen Prinzen Friedrich Wilhelm ein. Mehrfach soll er dem Jungen das Leben gerettet haben. Kurfürst Friedrich schätzte ihn sehr und überhäufte ihn mit Ämtern, Privilegien, Gütern und Titeln. Davon profitierten auch dessen sechs Brüder. Ein für viele ungeliebtes politisches Siebengestirn entwickelte immer mehr Einfluss. Während eines Festes ereignete sich Folgendes:
Mit dem Wohlgefallen eines Kenners betrachtete Friedrich einige Gemälde, die dort an den Wänden hingen. „Das sind schöne Bilder,“ meinte der Kurfürst. „Ach,“ erwiderte Danckelmann mit bitterem Lächeln, „die Bilder und was ich sonst noch Kostbares besitze, wird ja doch einst, bald vielleicht, das Eigentum von Eurer kurfürstlichen Gnaden sein, wenn meinen Feinden gelingt, wonach sie so eifrig trachten, mir die Liebe meines Herrn zu entfremden.“ Da legte der Kurfürst die Hand auf die Bibel und antwortete, der Fall könne sich nie ereignen …
Am 27. November 1697 wurde er auf Betreiben seiner Gegner verhaftet. Die Anklage gegen ihn umfasste 290 Anklagepunkte, die meist unbegründet waren. Das Verfahren zog sich über Jahre ohne Strafurteil durch die Richter hin. Dennoch wurde er durch eine Kabinettsorder Friedrichs I. zu lebenslanger Haft verurteilt und seine Güter eingezogen. Der Große Kurfürst amnestierte ihn 1707. Friedrich Wilhelm I. berief ihn nach seiner Thronbesteigung 1713 auf ehrenvolle Weise an den Hof und bat ihn um seinen Rat. Eine Revision seines Prozesses und eine Rückgabe seiner Güter fanden aber nicht statt.

Glasow, ein Kammerdiener des Königs, sollte diesen auf Anstiften der Königin Josephine von Polen im Hauptquartier Lockwitz bei Dresden mit einer Tasse Schokolade vergiften. Glasow wird verurteilt und kommt auf die Festung Spandau. Hier stirbt er 1757 nach einem halben Jahr Festungshaft.

Als Napoleon sich aufmachte, Europa zu erobern, standen auch französische Truppen vor den Mauern der Zitadelle und forderten deren Übergabe. Major von Beneckendorf, der Festungskommandant, ist überzeugt, das die Zitadelle wegen ihres schlechten Bauzustandes nicht zu verteidigen ist. Kampflos übergibt er die Festung. 1809 wird er deswegen verhaftet und zum Tode verurteilt, die Strafe wird aber in Festungshaft umgewandelt. Bald darauf wird er wieder freigelassen.

Ralf Salecker

 

Zitadelle Spandau

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)