Der "Panzerkreuzer" von Hans Scharoun in Siemensstadt

Licht, Luft und Sonne für alle

Kostenlose Führung auf den Spuren von Walter Gropius

Der "Panzerkreuzer" von Hans Scharoun in Siemensstadt
Der „Panzerkreuzer“ von Hans Scharoun in Siemensstadt (Foto: Ralf Salecker)

Gewobag und Deutsche Wohnen präsentieren zur Triennale am 8. Oktober 2016 „Siedlungen der Moderne“ in Spandau und Charlottenburg. Die 4-stündige Führung verknüpft Meilensteine des Wohnungsbaus in Berlin: Reichsforschungssiedlung Haselhorst, Ringsiedlung Siemensstadt und Wohnsiedlung Charlottenburg-Nord.

Bauhausgründer Walter Gropius steht im Mittelpunkt des Berlin-Wochenendes der Triennale der Moderne 2016. Gemeinsam mit Architekten wie Hans Scharoun suchte er in der Weimarer Republik nach neuen Wegen für den sozialen Wohnungsbau. Berlin war das wichtigste Experimentierfeld für das „Neue Bauen“ und eine neue Wohnkultur.

Erlebbar macht das eine Exkursion am 8. Oktober 2016, die zwei bedeutende Siedlungen der Moderne und die Besichtigung von insgesamt drei Wohnungen miteinander verknüpft. Eine gemeinsame Führung der Gewobag und der Deutschen Wohnen als Eigentümer präsentiert mit der Reichsforschungssiedlung Haselhorst und der UNESCO-Weltkulturerbesiedlung Siemensstadt zwei wichtige Bauprojekte der Weimarer Republik, an denen Gropius beteiligt war.

Licht, Luft und Sonne für alle: Für den langjährigen Direktor des Bauhauses war die industrielle Moderne eng mit der Notwendigkeit verknüpft, Siedlungen mit grünen Freiräumen zum Erholen zu schaffen. Der Blick in eine 3-Zimmerwohnung in einem von Gropius geschaffenen kühl-weißen, kubischen Wohnhaus in Siemensstadt gibt zusätzlich einen Eindruck von lichtdurchfluteten 55 Quadratmetern. Zum Abschluss führt die Tour in Hans Scharouns Atelierwohnung in der Wohnsiedlung Charlottenburg-Nord aus den späten 1950er-Jahren. Buchautor Michael Bienert und Architekt Thomas M. Krüger sind ausgewiesene Experten für Stadtführungen und lassen in der 4-stündigen Tour verborgene Zusammenhänge zwischen den Siedlungen sichtbar werden. Treffpunkt ist die Reichsforschungssiedlung Haselhorst mit der Gewobag-Museumswohnung, in der das Wohnen anno 1930 lebendig wird.

 

Triennale der Moderne 2016

  • „Siedlungen der Moderne“ der Deutsche Wohnen und der Gewobag
  • Leitung der Führung: Michael Bienert und Thomas M. Krüger
  • Samstag, 8. Oktober 2016, 13 bis 17 Uhr
  • Treffpunkt: Museumswohnung in der ehemaligen Reichsforschungssiedlung Haselhorst, Burscheider Weg 21, 13599 Berlin (Spandau)
  • Eine Anmeldung ist erforderlich. Für die kostenfreie Führung gibt es derzeit eine Nachrückerliste (Janine Kühnold, Telefon 4708-1541 oder j.kuehnold@gewobag.de).
  • Mit der App „Gropius to Go“ liegt ab 7. Oktober erstmals ein digitaler Gropius-Stadtführer für die Westentasche vor.

 

1. Station Haselhorst: Innovatives Wohnen anno 1935

An der bis 2014 denkmalgerecht modernisierten ehemaligen Reichsforschungssiedlung Haselhorst waren unter anderem Walter Gropius und namhaften Architekten wie Paul Mebes und Otto Bartning beteiligt. Zur offiziellen Fertigstellung 1935 wurden in Haselhorst mehr als 3.400 Wohnungen für rund 12.000 Menschen fertiggestellt. Wegen der großen Wohnungsnot war das Ziel des „Neuen Bauens“, möglichst praktische und platzsparende Grundrisse für das Leben von einkommensschwachen Familien zu entwickeln. Ergebnis waren staatlich geförderte Wohnungen, in denen der knappe Raum optimal ausgenutzt wurde.

Die heutige Museumswohnung plante Architekt und Stadtplaner Fred Forbát als Kleinstwohnung mit 45 Quadratmetern Wohnfläche für eine Familie mit zwei Kindern. Die Besucher erwartet viel Originalsubstanz: Holztüren mit den originalen Klinken und Türzargen, ein Türspion, Terrazzoböden in Bad und Küche, in den Zimmern historische Holzdielen mit ochsenblutrotem Anstrich. Das dazu passende Mobiliar aus der Bauzeit wurde neu beschafft, darunter eine historische Kochmaschine, eine Kurzbadewanne, ein Badeofen und sogar Vorhangstoffe und Bettwäsche aus den 1930er-Jahren.

 

2. Station Ringsiedlung Siemensstadt: Facetten der Neuen Sachlichkeit

Die Ringsiedlung Siemensstadt entstand in den Jahren 1929 bis 1934 unter Mitwirkung der Architekten Otto Bartning, Fred Forbát, Walter Gropius, Hugo Häring, Paul-Rudolf Henning und Hans Scharoun, die alle der progressiven Vereinigung „Der Ring“ angehörten. Vor diesem Hintergrund erhielt die Siemensstadt den Namen Ringsiedlung. Die Arbeitsgemeinschaft der Architekten wurde von Stadtbaurat Martin Wagner geleitet. Er gab jedem Architekten die Möglichkeit, seine individuelle Interpretation des neuen sozialen Bauens unter großstädtischen Bedingungen umzusetzen.

Jeder Architekt plante einzelne Häuserzeilen. In der Siemensstadt entwickelte sich ein vielgestaltiges Siedlungsbild: vom Funktionalismus von Gropius über die Raumkunst Scharouns bis zum organischen Formenreichtum Härings wird die ganze Spannbreite des „Neuen Bauens“ sichtbar. Weg vom starren funktionalistischen Zeilenbau wurde der Fokus auf eine ungezwungene Raumgliederung gerichtet, die den natürlichen Gegebenheiten der Umgebung entspricht. Mit ihren sozialen und sanitären Funktionen wurden die Freiräume der Siemensstadt in den 1920er-Jahren als Ausgleich zu den schweren Lebens- und Arbeitsbedingungen verstanden. Heute gehört die Ringsiedlung Siemensstadt mit rund 2.800 Einwohnern zu einem der größten Wohngebiete Berlins.

 

3. Station Charlottenburg-Nord: Wohnhöfe im Grünen

Die Wohnsiedlung Charlottenburg-Nord mit annähernd 4.000 Wohnungen für 12.000 Menschen entstand von 1956 bis 1961. An der Planung war erneut Hans Scharoun maßgeblich beteiligt. Bauträger waren im Wesentlichen die Wohnungsbaugesellschaften GSW (westlich des Halemwegs) und Gewobag (östlich des Halemwegs). Hans Scharoun selbst zog 1960 in ein Künstleratelier im achten Stock eines Wohnblocks am Heilmannring. Er zählt zu den wenigen Architekten, die selbst in eine Großsiedlung, die sie geplant haben, eingezogen sind. Insgesamt gab es sogar drei großzügige Atelierwohnungen im Viertel. Sie waren Teil von Scharouns Idee der „Wohngehöfte“ und der Mischung: Alle sozialen und beruflichen Schichten sollten in seinen Häusern ihren Platz finden.

 

Abendveranstaltung: Lesung, Konzert und Diskussion in der Infostation Siemensstadt

Ergänzend zur Führung findet am 8. Oktober 2016 ab 19.30 Uhr in der Infostation Siemensstadt (Goebelstraße 2-10, 13627 Berlin) eine Veranstaltung mit Michael Bienert, Thomas M. Krüger und der Cellistin Maria Magdalena Wiesmaier statt. Unter dem Motto „Die Fassade der neuen Zeit macht mich unsicher“ (Joseph Roth) treten Texte von Architekten und Schriftstellern, die umgebende Architektur und die Musik in einen spannenden Dialog. Die Veranstaltung wird von Ticket B angeboten und von der Deutsche Wohnen unterstützt. Der Eintritt ist frei.

 

Triennale 2016: Walter Gropius und das Erbe der Moderne

Die Triennale der Moderne widmet sich in Berlin, Weimar und Dessau dem Welterbe der Architekturmoderne in Deutschland. Berlin gilt als „Metropole der Moderne“ und verfügt über zahlreiche Bauten der Moderne – darunter sechs Wohnsiedlungen, die zum UNESCO-Welterbe zählen. Mehr als ein Dutzend Bauten von Walter Gropius finden sich in Berlin. Damit zählt seine Heimatstadt die meisten Objekte des Bauhaus-Gründers überhaupt. Sie stammen aus den Jahren der Weimarer Republik und der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Im Mittelpunkt der Triennale 2016 stehen Dessau und das 90-jährige Bestehen des Bauhausgebäudes. Das Auftaktjahr der Triennale 2013 orientierte sich inhaltlich an dem Berliner Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“. 2019 schließlich wird in Weimar das Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“ gefeiert.

 

 

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)