Seeschlacht zwischen Spandauern und Berlinern auf der Krienicke

Der Knüttelkrieg vor der Zitadelle

Kurfürst Joachim II., Kurfürst von Brandenburg (Foto: Ralf Salecker)
Kurfürst Joachim II., Kurfürst von Brandenburg (Foto: Ralf Salecker)

Den hohen Herrschaften ist manchmal langweilig. Dann kommen sie auf seltsame Gedanken. Es kommt aber auch vor, dass sie zusätzlich noch weiteren Unsinn auf Kosten der Bürger aushecken. Mit viel Glück geschieht in solchen Situationen nichts wirklich Schlimmes – wie auch in Spandau im Jahre des Herrn 1567, als Spandauer gegen Berliner zu einer Seeschlacht antraten.

Es war der frühe Morgen des 8. August 1567. Spandaus Bürger lagen noch im tiefen Schlaf. Auch der Bürgermeister der Stadt, Bartholomeus Bier, ahnte noch nichts Böses und träumte vor sich hin. Heftiges Pochen an der Türe ließ ihn jäh aus dem Schlaf fahren. Eilig erhob er sich aus seinem Bett, um zu sehen, wer seine verdiente Nachtruhe stören möge. Mitglieder der Garde des Kürfürsten Joachim II. standen vor seinem Haus und verlangten sein unverzügliches Erscheinen auf der Zitadelle. Offensichtlich war der Kurfürst tags zuvor heimlich angereist.

Nicht nur der Bürgermeister, sondern alle Spandauer Bürger hätten sich auf der Zitadelle einzufinden. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Während die Frau des Bürgermeisters noch lautstark ihr Leid klagte, kleidete sich Bier schnell an und marschierte mit seinem Trupp in Richtung Zitadelle. Niemand widersprach dem Landesfürsten. So wurde umgehend ein Bote ausgesandt, der die Bürger Spandaus zusammentrommelte. Denen fuhr der Schrecken ähnlich in die Glieder wie ihrem Bürgermeister.

Kurfürst Joachim II., Kurfürst von Brandenburg (Bild: Lucas Cranach - 1555)
Kurfürst Joachim II., Kurfürst von Brandenburg (Bild: Lucas Cranach – 1555)

Nichts, aber auch gar nichts wollte Bartholomeus einfallen, was den Kürfürsten zu diesem Befehl bewogen haben könnte. Er selbst war sich keiner Schuld bewusst. Fast leutselig teilte Joachim II. dem Bürgermeister mit, er brauche sich wirklich keine Gedanken zu machen, es gehe nur um ein großes vergnügliches Spektakel, an dem Spandaus Bürger mitwirken sollten.

Die Beruhigung hielt nicht lange an. Denn das Spektakel sollte noch weitere Mitwirkende haben: Bürger aus Cölln und Berlin waren ebenso geladen. Diese sollten sich mit den Spandauern in einer Seeschlacht messen – auf der Krienicke (heute Spandauer See) zwischen Zitadelle und Eiswerder. Von Tegel her sollte ihre Flotte gen Spandau unterwegs sein. Mit großer Begeisterung hätten sie in den Kampf eingewilligt.

Gerüstet und mit hölzernen Spießen als Waffen ausgestattet bemannten Spandaus Bürger nun ihrerseits Schiffe. Angeblich sollen auch sie mit Feuereifer bei der Sache gewesen sein. Sie versammelten sich geordnet, um den nahenden Feind  zu empfangen. Derweil begab sich auch Kürfürsten Joachim II. auf ein Schiff, um den Kampf aus der Nähe verfolgen zu können.

Von den Mauern der nahen Festung ertönte Kanonendonner als Zeichen, dass das Spektakel seinen Gang nehmen könne. Hitzig gingen beide Seiten aufeinander los. Keiner wollte weichen. Havelfischer hatten die Aufgaben, über Bord gegangene Kämpfer aus dem Wasser zu fischen. Niemand geriet so in Gefahr zu ertrinken. Während des gesamten Kampfes ließ der Kanonendonner nicht nach.

Als sich in der Schlacht kein Sieger abzeichnen wollte, wurde es dem Kurfürst dann wohl zu langweilig, denn er ließ den Kampf abbrechen. Die Gefechte sollten nun an Land weitergehen. Für die Spandauer keine gute Aussicht, denn sie standen mit gerade mal 800 Mann 1500 Berlinern und Cöllnern gegenüber – der Kurfürst mit seiner Garde mittendrin. Wieder wurde der Kampf durch steten Kanonendonner begleitet.

Manch blauer Fleck war die Folge eines Schlages mit hölzernen Knüppeln. Wirklich zu Schaden kam aber niemand. Anscheinend steigerten sich die Spandauer in einen erfolgreichen Kampfrausch, der Berliner und Cöllner nach und nach – trotz ihrer Überzahl – in die Flucht schlug. Im Getümmel wurde auch das Pferd des Kurfürsten immer mal wieder von Stockschlägen getroffen. Weil der Abend nahte, die Gefahr einer ernsthaften Auseinandersetzung nicht mehr auszuschließen und der Kurfürst selbst nicht ganz ungefährdet war, beendete dieser den Kampf.

Siegestrunken zogen die Spandauer nach Hause, wo sie eine böse Überraschung erwartete. Das Spektakel des Kurfürsten hatte wohl noch einen zweiten Schauplatz gehabt und der Kanonendonner diente offensichtlich nicht nur zur Erbauung der Kampfeslustigen. Während der Kampf tobte, ließ Joachim vielmehr auch die Altstadt, genauer gesagt den Turm der Nikolaikirche beschießen. Turm und Kirche wurden dabei beschädigt.

Der Grund für diese Ungeheuerlichkeit ist schnell gefunden. Vom Turm selbst hätte möglicherweise im Zuge eines Krieges eine Gefahr für die Zitadelle ausgehen können, wenn es dem Feind gelungen wäre, ein Geschütz dort zu platzieren. Dem wollte der Kurfürst anscheinend vorbeugen. Nichts, was hoch über den Spandauer Boden hinausragte, durfte in der Nähe der Festung stehen bleiben. Eine freundliche Bitte des Kurfürsten hätte seine Spandauer Untertanen wohl kaum dazu bewogen, ihre eigene Kirche zu beseitigen, schließlich war sie das Herz der Altstadt. So „musste“ der Kurfürst mit dem Kampf zu einem Ablenkungsmanöver greifen …

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)