Rund um den Spandauer See – Von der Havelspitze bis zur Havelspitze

Von Wasser umgeben

Spandau ist ein wasserreicher Bezirk. Gerade an der Havelspitze (Südspitze), dem Beginn unseres kleinen Spaziergangs rund um den Spandauer See, wird dies besonders deutlich. Im Zuge der 800-Jahrfeier Spandaus – im Mai 1987 – wurde die Oberhavel von der Wasserstadtbrücke bis zur Zitadelle in Spandauer See umbenannt. Die Spandauer haben sich darüber gefreut, „endlich“ einen eigenen See zu haben. Die Havelspitze, eine Halbinsel an der Havel, weist wie ein Pfeil in den See hinein. Wer das Glück hat, genau an der Spitze zu wohnen, wird mit einer Aussicht belohnt, bei der man das Gefühl bekommt, fast vollständig von Wasser umgeben zu sein.

Noch bis vor kurzem wäre niemand auf die Idee gekommen, hier entlang flanieren zu wollen. Industriebrachen, Schrottplätze, Öltanklager und ähnliche Zeichen unserer Zivilisation zierten die Ufer. Zu Zeiten Preußens, aber auch unter den Nationalsozialisten war hier die „Waffenschmiede der Nation“ – mit entsprechenden Altlasten.

Die ideale Lage am Wasser ließ die Vorstellung wachsen, diese Flächen weiträumig zu entwickeln. Man wollte Grünflächen und Wege am Wasser schaffen. Da im Zuge des Mauerfalls ein erhöhter Wohnungsbedarf vorhergesagt wurde, startete man zugleich ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm – das Projekt „Wasserstadt Oberhavel“ (206 ha Landfläche und etwa 100 ha Wasserfläche). Später stellten sich die Prognosen allerdings als weit überhöht heraus. Die anfangs geplante dichte Wohnbebauung wurde infolgedessen nicht umgesetzt.

Das Wohnquartier an der Havelspitze wurde vom Grundstückeigentümer selbst – der Siemens AG – entwickelt. Vorbesitzer waren die Bergmann-Kabel-Werke. Nur eine denkmalgeschützte Fertigungshalle für Kabel von 1928/29 erinnert noch an alte Industriezeiten. Heute beherbergt sie Archiv und Restaurationswerkstätten des Berliner Stadtmuseums.

Genau hier, an der Südspitze, im Quartier Havelspitze, findet sich einer von neun Standorten der Senioren-Residenzen von Pro Seniore in Berlin. Ein guter Grund also, unseren Spaziergang an eben diesem Ort zu beginnen.

Maselake und Nordhafen

Um es gleich vorweg zu nehmen: Noch ist es nicht möglich, den See am Ufer vollständig zu umrunden. Vielmehr müssen kleinere Umwege  in Kauf genommen werden. Für den Anfang empfehle ich die kleine Runde von etwa vier Kilometern über die Spandauer-See-Brücke und Eiswerder. Wer dagegen den Weg über die nördlich gelegene Wasserstadtbrücke wählt, muss sich auf einen etwa sieben Kilometer langen Fußmarsch einstellen.

An der Südspitze ragt ein Holzsteg weit ins Wasser hinein. Auf einer langen massiven Bank könnte man hier längere Zeit verweilen und den Ausblick genießen. Genau dies wollen wir jetzt erst einmal nicht. Später ist dafür noch genügend Zeit. Östlich vorgelagert liegt eine 3.600 Quadratmeter große Insel, der Kleine Wall, im Volksmund auch Liebesinsel genannt. Romantisch und einsam ruht sie im Wasser. Vorbei sind die Zeiten, als man sich mit einem kleinen Boot übersetzen lassen konnte. Das ehemalige Lokal dort ist schon lange geschlossen, die Insel selbst steht zum Verkauf – für nur eine Million Euro – wenn ich nicht irre. In dem Lokal „Gaststätte zur Liebesinsel“ wurde am 13. Januar 1901 der Anglerverein Hecht Spandau 1901 als zweiter Anglerverein in Deutschland gegründet.

Unsere Tour führt uns entgegen dem Uhrzeigersinn um den See herum. Wir bewegen uns immer am Ufer der westlich gelegenen Maselake entlang. Die Wege sind flach und in der Regel auch gut mit Rollstühlen zu befahren. Über die Maselake selbst führt eine weiße Fachwerkbrücke, die eine Besonderheit aufweist, die schon manch einem zum „Verhängnis“ wurde.

Ein Teil der Brücke klappt bei Bedarf nach oben, um Sportbootbesitzern an der Maselake den Zugang zur Havel zu ermöglichen. Manchmal ist die Brücke aber defekt. Nach oben geklappt sperrt sie dann den Weg, wie die Zugbrücke einer Burg. Ein größerer Umweg (über Bamihl- und Rauchstraße) ist nötig, um sie zu umgehen. Ärgerlich, da sie die direkte Verbindung für Einkaufsgänge ins Carossa-Quartier oder zu Spaziergängen in den Maselakepark darstellt.

Wir haben diese aber erfolgreich überquert und stehen schon mit einem Fuß im 4,3 ha großen sehr flach ausgeprägten Maselakepark. Von den sanften Uferböschungen haben wir einen guten Blick über die Maselakebucht zur Südspitze. Dem Fuß- und Radweg (Teil des Havelradwanderweges) folgend nähern wir uns dem ehemaligen Spandauer Nordhafen. An einem Spielplatz, direkt am sandigen Ufer der Maselake gelegen, vorbei, gelangen wir zum „Havelbalkon“. Wie ein kleiner Schiffsbug ragt er mit seinem Natursteinpflaster in die Maselake hinein und bietet einen wunderbaren Ausblick über den Spandauer See, die Maselake und den Nordhafen (1912 angelegt).

Noch gibt es hier keine Möglichkeit, direkt auf die andere Seite des Nordhafenkanals zu wechseln. Seit vielen Jahren ist der Bau einer Brücke im Gespräch. Sie soll den Uferpark Maselake mit den neuen Quartieren und dem Ufergrünzug am Nordhafen miteinander verbinden. Gelder wurden erst bewilligt, dann wieder gestrichen. Problematisch scheint auch das „wie“ der Überquerung zu sein. Hoch muss sie sein, die zukünftige Brücke. Schließlich sollen Boote noch hindurch kommen können. Gleichzeitig soll sie aber rollstuhlgerecht ausgebaut werden.

So bleibt uns nichts weiter übrig, als den Weg zu wählen, der am Nordhafenkanal entlang führt. Dafür werden wir mit dem Anblick einer schönen Promenade entlang des Wassers belohnt. In Erinnerung an den ehemaligen Verlauf des Spandauer Festungsgrabens wie auch die Nutzung als Hafen, ist sie bewusst als einstufige Kante ausgelegt. Der untere Teil der Promenade soll als Schiffsanleger genutzt werden können und ist deshalb mit Holzplanken belegt, während der obere Weg mit Natursteinen gepflastert ist. Rechter Hand des Weges laden flache Wiesen zum sommerlichen Picknick ein. Auf der anderen Seite des Kanals reihen sich Einfamilienhäuser aneinander, am Ende findet sich eine Seniorenpflegeeinrichtung.

Ufergrünzug West

Wir umrunden das Ende des Kanals, nehmen linker Hand den Weg durch den kleinen Hohenzollernpark, um dann nach wenigen Schritten links in die Havelschanze (zwischen 1909 und 1958 Askanierring) einzubiegen. Ihr Name leitet sich von einer der neun Schanzen ab, die im Norden die Festungsstadt Spandau umgaben. Die Havelschanze war die neunte und östlichste Bastion der Anlage. Einzig der Name zeugt noch von dieser Vergangenheit. Auf der rechten Seite der Straße liegen seit über einhundert Jahren die beschaulichen Gärten der Kolonie Kleckersdorf 1898. Im Hintergrund der Gärten, an der Neuendorfer Straße gelegen, ist ein weiteres, ebenso altes Gebäude erkennbar, das evangelische Kinderheim Sonnenhof Kaiser Wilhelms II.

Wir spazieren aber weiter bis zum Ende der Straße. Hier lag bis 2008 das Strandbad Oberhavel (vor 1952 „Flußbadeanstalt Schäferstraße“). Keine Spuren zeugen mehr davon. Bald sollen hier Häuser in exklusiver Lage entstehen.

Der Anschluss zum Uferweg Parkstraße (Ufergrünzug West) ist inzwischen hergestellt. Gemütlich kann man nun dort entlang flanieren, wo einst das Freibad Oberhavel lag. Auf den einstigen Liegewiesen stehen nun Häuser. Immerhin ist der Weg am Spandauer See für die Allgemeinheit offen.  Schnurgerade zieht er sich bis zur Eiswerderbrücke, wo ein paar Hausboote ihren Liegeplatz haben. In Richtung Brücke gehend sehen wir rechter Hand drei große Speichergebäude, zwei Bodenspeicher und einen Silospeicher des ehemaligen Heeresverpflegungsamtes. Links scheint schon die Insel Eiswerder zum Greifen Nahe, wir müssen nur noch den Weg über die 1903 fertiggestellte Stahlkbrücke zu wählen.

Insel Eiswerder

Ein wenig Zeit sollten wir erübrigen, um unseren Blick von der Brücke in alle Richtungen schweifen zu lassen. Im Süden ragen die Mauern der Zitadelle Spandau auf. Gleich rechts von der Brücke liegt das Quartier Schultheiss, in dem die alten Gebäude der ehemaligen Brauerei in neuem Glanz erstrahlen. Auf der Frieda-Arnheim-Promenade laden Restaurants zum Verweilen ein.

Nun geht es weiter auf die geschichtsträchtige Insel Eiswerder. Man nannte sie einmal die Waffenschmiede des Deutschen Reiches. Rüstungsfabriken, wie z.B. eine Pulverfabrik, eine Geschützgießerei, eine Artilleriewerkstatt, eine Patronenfabrik und eine Munitionsfabrik prägten von 1826 bis 1945 ihr Erscheinungsbild.

Eine friedliche Nutzung kam u. a. mit der Nutzung durch die einstigen CCC-Filmstudios von Arthur Brauner. Kleingärtner und Bootsvereine nutzen bis heute das Eiland. Jahrzehnte lang war die Insel eher eine große Lagerhalle. Der Berliner Senat lagerte hier die erweiterten Senatsreserven ein.

Heute existieren attraktive Uferwege und Parkanlagen. Künstler, wie die Inselspinnen, nutzen die Hallen für ihre Arbeiten, Fernsehstudios produzieren Sendungen. Zwei Uferwege ermöglichen die Insel einmal an ihrer westlichen Seite mit dem Eiswerder Park, sowie auf ihrer südlichen Seite zu umrunden. Mit dem JWD existiert hier seit langen Jahren eine Spandauer Disko. Direkt daneben gibt es die Möglichkeit, in einem Restaurant den Blick auf die Krienicke und zum Quartier Pulvermühle zu genießen. An der Kleinen Eiswerderbrücke treffen die Wege wieder zusammen. Von hier haben wir nach Norden einen schönen Blick auf die Pionierinsel. Vom Menschen ungestört, leben dort inzwischen wieder Biber.

Ufergrünzug (Quartier) Salzhof

Ein kurzes Stück Weg liegt noch vor uns, dann ist die Runde vollendet. Hinter der Kleinen Eiswerderbrücke nehmen wir links den Weg auf den Ufergrünzug Salzhof. 1880 wurde am Salzhof eine Chemische Fabrik angesiedelt, die Säuren für die Munitionsherstellung produzierte. Feuerlos betriebene Dampfspeicherlokomotiven transportierten die Waren, um einer Explosionsgefahr entgegenzuwirken. Grüne Uferwege mit einem bunt gemischen Baumbestand, balkonartig ausgeführten Aussichtsplattformen und vielen Bänken laden nun zum friedlichen Genießen ein. Einen kleinen Umweg über die Daumstraße müssen wir in Kauf nehmen. Ein Grundstückseigentümer war nicht zum Verkauf an die Stadt bereit gewesen. Unbeschwert kann hier der Blick weit über den Spandauer See schweifen. Bootsanlegestellen lassen im Sommer fast eine mediterrane Stimmung aufkommen.

Immer deutlicher tritt die rund 300 Meter lange und 18 Meter breite Spandauer-See-Brücke in unser Blickfeld. Sie ist Berlins längste Straßenbrücke. Wie fast alle Häuser der Wasserstadt ist sie mit roten Klinkern verschalt worden. Die großen viereckigen Pfeiler können von der Brücke her betreten werden. Von kleinen Balkonen hat man einen herrlichen Blick bis zur Spandauer Altstadt, oder aber nach Norden in Richtung Wasserstadtbrücke. Oben thront auf jedem Pfeiler ein großer Glaswürfel, der abends als Beleuchtung dient.

Unser Rundgang endet, wo er begonnen hat: an der Havelspitze. Wenn erst einmal alle Verbindungen hergestellt sind, dann wird der gesamte Rundweg mangels Steigungen oder sonstiger Hindernisse problemlos auch von Rollstuhlnutzer befahren werden können.

Ralf Salecker

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