Spandaus Dorfkirche Alt-Staaken

Ein Kleinod am Ende des Bullengraben-Grünzugs

 Dorfkirche Alt-Staaken: Glasaltar (Foto: Ralf Salecker)
Dorfkirche Alt-Staaken: Glasaltar (Foto: Ralf Salecker)

Am Rande Spandaus liegt eine unscheinbare kleine Dorfkirche, die aus ganz unterschiedlichen Gründen ein Besuch lohnt. Autofahrer, die den Nennhauser Damm regelmäßig nutzen, wird die Kirche in Alt-Staaken durchaus vertraut sein. Außen wirkt sich außerordentlich schlicht. Im Inneren verbergen sich kleine künstlerische Juwelen. Nicht nur wegen ihres eigentlichen Alters ist sie von historischem Interesse, sondern weil sie als Opfer der Teilung Spandaus lange Jahre im Grenzbereich lag und ein Dornröschendasein führte. Es ist ein glücklicher Umstand, dass sie in dieser Zeit nicht abgerissen wurde.

Wanderer, Skater oder Spaziergänger, die den Bullengrabengrünzug von der Wilhelmstadt bis nach Staaken wandern, sollten einen Besuch dieses Kleinods unbedingt einplanen. Die Kirche ist gleichermaßen Symbol der Teilung, wie auch der Wiedervereinigung. Immer Samstags, im Rahmen der „Offenen Kirche“ kann sie besichtigt werden. Wer rechtzeitig anfragt, bekommt bestimmt auch zu anderen Zeiten eine Gelegenheit.

Emfehlenswert ist ein Besuch – nicht nur zum Gottesdienst – auch im Rahmen der vielen Konzerte, die dort stattfinden. Ein Blick auf die Internetseite des Förderkreises der Dorfkirche Alt-Staaken lohnt immer wieder. Dieser gibt regelmäßig mit der „Staakener Wetterfahne“ eine Publikation heraus, die auch für Außenstehende lesenswert ist. Einmal im Jahr gibt es dann noch einen spannenden kleinen Kalender. (Ralf Salecker)

Dorfkirche Alt-Staaken

Die Anfänge der alten Kirche liegen im Dunkeln der Geschichte. Ein eigentlicher Name hat sich leider nicht erhalten. Die Alt-Staakener Kirche wurde nach archäologischem Befund etwa Anfang des 14. Jahrhunderts als rechteckiger und flachgedeckter Saalbau in gotischen Formen errichtet. Wahrscheinlich erfolgte 1436–1438 nach einem Dorfbrand ein Wiederaufbau.

 Dorfkirche Alt-Staaken: Kreuz der Teilung (Foto: Ralf Salecker)
Dorfkirche Alt-Staaken: Kreuz der Teilung (Foto: Ralf Salecker)

Auf ein Feldsteinfundament aus grob behauenen Natursteinen wurden Backsteinmauern gesetzt. Gotische Reste bilden das 2002 rekonstruierte Ostfenster und verdeckte Teile. Reste eines kleinen gotischen Flügelaltars um 1500 (Staakener Madonna u. a.) befinden sich seit 1896 als Leihgaben im Märkischen Museum Berlin.

Einen Turm bekam die Kirche erst 1558, eine neue Kanzel 1648. In den Jahren 1711/12 – also vor genau 300 Jahren – erfolgte eine barocke Umgestaltung. Daran erinnert die Wetterfahne mit der Jahreszahl 1712. Aus der Zeit stammt auch ein Taufengel, der sich ebenfalls als Leihgabe im Märkischen Museum befindet.

Im Befreiungskrieg 1813 nutzen russische Truppen während der Belagerung Spandaus die Kirche als Schlachthaus. Im Jahr 1837 erfolgte außen und innen eine klassizistische Neugestaltung. Daran erinnern noch heute Taufe, Leuchter und Kreuz in Eisenguss aus der Schinkelzeit.

Nach dem Mauerbau entfernte man unter dem Aspekt der „neuen Sachlichkeit“ fast das ganze Inventar, hatte jedoch als Grenzgemeinde keine Kraft zur Neugestaltung. Erst kurz vor dem Mauerfall sorgten Gemeindeglieder für eine einfache Instandsetzung. In den Jahren 2000–2002 konnte man dann aus Denkmalsmitteln und aus Mitteln der Kirchengemeinde unter Leitung von Prof. Karsten Westphal eine umfangreiche Neugestaltung in der Formsprache unserer Zeit realisieren.

 Dorfkirche Alt-Staaken im Winter (Foto: Ralf Salecker)
Dorfkirche Alt-Staaken im Winter (Foto: Ralf Salecker)

Die liturgische Mittelachse kam durch das wieder geöffnete alte Ostfenster zum Tragen. Altartisch und Ostfenster erhielten eine einheitliche Form aus grünlichem Schichtglas. Die alte Kanzel hatte bereits 1995/96 der Modelltischler Wilhelm Weinke „für Gotteslohn“ rekonstruiert.

Nach Entwürfen des italienischen Malers Gabriele Mucchi (1899–2002) und unter theologischer Begleitung des damaligen Pfarrers konnte nach langem Bemühen an der inneren Südseite das 30 Quadratmeter große Wandbild „Versöhnte Einheit“ durch den Berliner Maler Joachim Bayer vollendet werden.

Das Wandbild will zur Überwindung von Teilung beitragen und ein Zeichen der Hoffnung setzen. Es stellt eine Verfremdung der jüngeren Geschichte dar durch Übertragung in das 16. Jahrhundert vor dem gedanklichen Hintergrund der ehemaligen Grenzlandschaft an der Heerstraße in Staaken. Gemeint ist die Einheit des Ortes, der Stadt, des Landes, der Christenheit, aber auch die der Völker und Kulturen in Europa.

Norbert Rauer

 

Handlicher Kunstführer zur Dorfkirche Alt-Staaken

Kunstführer: Dorfkirche Alt-Staaken - Versöhnte Einheit (Cover)
Kunstführer: Dorfkirche Alt-Staaken – Versöhnte Einheit (Cover)

Angefangen von der Baugeschichte, der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Kirche, der Entwicklung ihres Kirchhofes, in dessen Umgrenzungsmauer Steine aus Spandaus Stadtmauer verbaut sind, über ihr sakrales Innenleben, die Neugestaltung Anfang 2000 bis zur Ausgestaltung der Wandmalerei „Versöhnte Einheit“ des Malers Gabriele Mucchi wird ein breiter spannender Bogen geschlagen, der erstmals umfangreich Fakten zur Entwicklung der Dorfkirche Alt-Staaken zusammenträgt.

Für gerade einmal 3,- Euro erhält der neugierige Leser ein lesenswertes und informatives Büchlein im Taschenformat. In der Kirche selbst ist es Samstag in der Zeit von 11 bis 16 Uhr erhältlich. Selbstverständlich gibt es sie auch in allen Spandauer Buchhandlungen.

Dorfkirche Alt-Staaken, Berlin-Spandau, Versöhnte Einheit

  • Kunstführer Nr. 2840
  • Autor: Norbert Rauer in Zusammenarbeit mit Andreas Kalesse
  • Kleine Kunstführer / Kirchen u. Klöster
  • ISBN: 978-3-7954-6998-6
  • Seitenzahl:    20
  • Format:    12 x 17 cm
  • Preis: 3,- Euro
  • www.schnell-und-steiner.de/reihe_52.ahtml
  • Verlag: Schnell & Steiner GmbH

Ralf Salecker

Evangelische Dorfkirche Alt-Staaken

  • Hauptstrasse 12 / Ecke Nennhauser Damm 72
  • 13591 Berlin
  • Tel. 030 3632603
  • Freundeskreis der Dorfkirche Alt-Staaken
  • Verkehrsverbindungen:
    BUS M32 ab Rathaus Spandau bis Hauptstr.
    BUS M37 ab Rathaus Spandau bis Hahneberg
    BUS 149 ab Zoo bis Hahneberg
    BUS X49 ab S Messe Nord / ICC bis Hahneberg

 

Anmerkung:

Die Dorfkirche kann Endpunkt einer gemütlichen Wanderung durch den Bullengrabengrünzug sein, der sich von der Havel bis nach Staaken hin erstreckt.

 

Fotos: Kreuz in Erinnerung an die Teilung Staakens; Wintermotiv;

Bullengraben; Altar und Ostfenster aus Schichtglas

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)