Wenn Worte zu Gewalt führen (Illu: Ralf Salecker)

Wenn Worte zu Gewalt führen

Brauner Mob in Heidenau

Wenn Worte zu Gewalt führen (Illu: Ralf Salecker)
Wenn Worte zu Gewalt führen (Illu: Ralf Salecker)

Der rechte Hass gegen Flüchtlinge hat zu gewalttätigen Ausschreitungen in Heidenau geführt. 10 Personen wurden verletzt. Wieder ist es ein Ort in Sachsen, wo die Reaktionen besonders heftig auftreten. Die NPD hatte gerufen und gewalttätige Demonstranten kamen.

Dieser Hass muss uns Sorge bereiten, auch wenn es eine ungebrochene Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gibt. Ehrenamtliche tragen erheblich dazu bei, dass die Versorgung der Flüchtlinge überhaupt einigermaßen läuft. Auch in Spandau gibt es gut organiserte ehrenamtliche Helfer, die bedarfsgerechte Hilfe bieten. Eine aktuelle Umfrage des ZDF machte deutlich, dass der größte Teil der Gesellschaft hinter der Unterstützung von Flüchtlingen steht. Im Vergleich zu früheren Umfragen ist die Bereitschaft sogar gestiegen. Informationen über das Leid der Flüchtlinge sind für jeden zugänglich. Wer trotzdem anderes behauptet, muss eigene Gründe haben…

Hass ist ein immer offener auftretendes Problem in Deutschland

Die Hürde zum § 130 Strafgesetzbuch (Volksverhetzung) ist meist zu hoch. Im deutschen Strafrecht war eine besondere Behandlung von Hassdelikten bisher nur eingeschränkt vorgesehen. Bei rassistisch motivierten Straftaten war es durchaus möglich gewesen, die Motive „aus niederen Beweggründen“ zur Verschärfung des Strafmaßes heranzuziehen. Diese Option wurde wohl zu selten genutzt. Zum 1.8.2015 ist aus diesem Grund eine Gesetzesänderung in Kraft getreten. Der § 46 StGB ist erweitert worden. Nun gibt es in Abs. 2: „die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“.

Das Strafgesetz wird in Zukunft bei Straftaten „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ Motive besonders berücksichtigen. Das Strafmaß wird bei einem Nachweis höher ausfallen. Hasskriminalität wird härter bestraft. Diese Gesetzesänderung ist durchaus umstritten. Ob sich in Zukunft in der Rechtsprechung durch die Gerichte etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.

Um nicht noch einmal eine Mordserie wie die der NSU zu erleben, kann nun auch der Generalbundesanwalt früher als zuvor die Zuständigkeit an sich ziehen.

Hass bleibt nicht mehr ohne Folgen

Hass bleibt auch mit einem anonymen Account auf facebook nicht mehr ohne Folgen. Ein Berliner muss 4800 Euro Strafe zahlen, weil er die Erschießung oder Vergasung von Ausländern propagiert hatte. Andere in ganz Deutschland traf es ähnlich. Vermehrt müssen jetzt Hassschreiber mit Folgen rechnen. Auch einen Spandauer hatte es vor einiger Zeit getroffen. Aufrufe auf facebook und anderswo zu Hass und Gewalt gegen ethnische Minderheiten bleiben nicht mehr folgenlos. Justiz und Bürger werden sensibler, auch wenn man manchmal in den Sozialen Medien und in den Online-Kommentaren von Zeitungsartikeln einen anderen Eindruck gewinnen kann. Niederschwelliger Hass ist scheinbar an der Tagesordnung. Die Formulierung „Ich bin ja kein… aber …“ ist mehr als entlarvend.

Wie aus Netzhass Gewalt wird und was dagegen hilft

Unter dieser Überschrift hat Sascha Lobo auf Spiegel Online eines sehr lesenswerten Beitrag veröffentlicht. Er beschäftigt sich dabei mit der Online-Hetze und ihren Folgen. Ist die stete Zahl an gewalttätigen Übergriffen auf Flüchtlinge, Helfer und Wohnheime eine direkte Folge der Hasstiraden in den Sozialen Medien? Gießen CSO-Politiker und andere Öl ins Feuer, wenn sie ausschließlich negativ zur Flüchtlingsproblematik Stellung nehmen und bewusst Feindbilder formulieren? „Diese Flüchtlinge und Asylbewerber wollen hier nur Urlaub machen! Die wollen uns alles wegnehmen!“ Solche Aussagen sind nicht nur moralisch verwerflich…

Eines fällt auf. Die Hass-Kommentatoren in den Medien neigen zu einem ausgesprochenen Schwarz-Weiß-Bild. Argumentative Auseinandersetzungen mit ihnen scheinen unmöglich, weil hier anscheinend eher mit pseudoreligöser Inbrunst geglaubt wird. „Grauwerte, Verhandlungen und Kompromisse sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems … Basis des Netzhasses, der weit über das aktuelle Flüchtlingsthema hinausreicht: der Wunsch nach radikaler Vereinfachung. Vermeintlich einfache Probleme mit vermeintlich einfachen Lösungen, raus, weg, anzünden – schlichter geht es nicht.“

Hassrede scheint nachweislich zu Gewaltausbrüchen zu führen, wie die Forscherin Susan Benesch herausfand. Gefährliche Rede (Dangerous Speach), also Hetze, sind er Nährboden für Gewalt. Dessen sollte sich jeder bewusst sein, der leichtfertig und unreflektiert die üblichen Phrasen zum Thema Flüchtlinge formuliert.

Man kann aber etwas gegen diese Gefährliche Rede“ tun. Gegenrede (Counterspeach) ist angesagt. Dabei darf Hass nicht mit gleichen Mitteln begegnet werden. Norwegen ist ein leuchtendes Beispiel, wie eine ganze Gesellschaft sich nach den Morden auf Utøya nicht dazu hinreißen ließ, mit gleicher Münze heimzuzahlen. Wir leben eben nicht mehr in den Zeiten von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.

www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzhass-und-gewalt-was-man-dagegen-tun-kann-lobo-kolumne-a-1048799.html

Registerstelle in Spandau

Bezirksweit werden alle Vorfälle mit rassistischem, rechtsextremem, antisemitischem oder homo-/transphobem Hintergrund erfasst. Auch Diskriminierungen wegen einer Behinderung oder auf Grund der sozialen Situation werden vom Register Spandau aufgenommen.

Ein verantwortungsvoller und sensibler Umgang mit den Daten der Meldenden wird garantiert. Alle Angaben können auch anonym gemeldet werden. Auf dieser Seite wird auch eine Chronik zu den gemeldeten Vorfällen geführt.

https://giz-berlin.de/projects/registerstellle-spandau.htm

Bürozeiten

Montag bis Freitag, 9.00 bis 16.00 Uhr, erreichen:

GIZ e.V.

Reformationsplatz 2

13597 Berlin

030/30398709

register.spandau@giz-berlin.de

 

Chronik für das Register Spandau (Auszug)

  1. September 2014

Ältere Frau beleidigt Apothekenangestellte

Eine ältere Frau möchte in einer Apotheke in der Altstadt Spandau nicht von einer muslimischen Angestellten, die Kopftuch trägt, bedient werden und fragt nach einer anderen Bedienung.

Quelle: GIZ e.V.

 

  1. August 2014

Rassistische Beleidigung wegen Gepäckmenge

Zwei Frauen steigen, beladen mit vielen Taschen, aus einem überfüllten Bus M37 am Rathaus Spandau vorn aus. Der Busfahrer ruft ihnen hinterher: „Weniger klauen, dann muss man auch weniger schleppen“.

Quelle: GIZ e.V.

 

  1. Juli 2014

Rassistische Beleidigungen im Umfeld einer Erstaufnahmeeinrichtung

Bewohner_innen der Erstaufnahmeeinrichtung wird unterstellt aus finanziellen Gründen und ohne politische Verfolgung in Deutschland Asyl zu suchen.

Quelle: GIZ e.V.

 

  1. Juli 2014

Gewaltandrohung im Bus

Ein älterer Mann im Rollstuhl und mit Hund belegt den Platz im Bus M37 für drei Kinderwagen. Eine schwarze Frau muss ihren Kinderwagen schräg in den Gang stellen, weil der Busfahrer meint aufgrund der Tür-Lichtschranke, anders nicht losfahren zu können. Daraufhin sagt der Rollstuhlfahrer zu dieser Frau: “Irgendwann werdet ihr mit Knüppeln aus Deutschland vertrieben!“.

Quelle: GIZ e.V.

 

 

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)