Aktion von Lehman-Geschädigten in Spandau

Der „Schwarze Montag“ jährt sich zum ersten Mal

Wieder „Business as usual“ bei Banken und Boni aber nicht für 40.000 geschädigte Kleinanleger

Die Lehman-Geschädigten aus Berlin und Umgebung treffen sich um 14:45 an der Nikolaikirche in Berlin-Spandau in der Carl-Schurz-Straße. Ein Trauerzug unter dem Titel «Es reicht – wir wollen unser Geld zurück»durch die Spandauer Altstadt soll den Forderungen der Lehman-Geschädigten nach vollständiger Entschädigung Nachdruck verleihen. Lautstarke Instrumente, wie Trillerpfeifen und Trummeln, oder Kochtöpfe sollen für Aufmerksamkeit sorgen. Anschließend soll ein Theaterstück mit dem Titel “My money is over the Ocean”aufgeführt werden.

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  • Reinhard Geißler, 030 7130388
  • Angelika Theiler, 030 67124087 oder 0176 62143789 (mobil)

Ein Jahr nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers leiden Zehntausende von Kleinanlegern und Sparern in Deutschland weiterhin unter den Folgen. Nun gehen sie erneut in Frankfurt und anderen Städten auf die Straße, um auf die Fehlleistungen ihrer jeweiligen Banken und die noch immer ungenügenden Konsequenzen aus einem der größten finanzpolitischen Fehler der letzen Jahrzehnte hinzuweisen.

Am 15.9. jährt sich die Insolvenz von Lehman Brothers zum ersten Mal. Es gibt aus diesem Anlaß viele abstrakte Diskussionen, ob dieses Ereignis Auslöser oder Symptom der weltweiten Finanzkrise war. Was sicher ist: Es hat ca. 40.000 sicherheitsorientierte Anleger in Deutschland, darunter auffällig viele Rentner, um große Teile Ihres angesparten Vermögens gebracht. Viele Banken, allen voran Citibank, Dresdner Bank und die Frankfurter und Hamburger Sparkassen, haben Ihre Kunden aus Eigeninteresse und aufgrund hoher Provisionszahlungen in für deren Ziele ungeeignete Lehman-Zertifikate „hineinberaten“. Die massiven Fehlleistungen der Banken sind inzwischen durch zahlreiche detaillierte Veröffentlichungen in der Presse dokumentiert und durch eine Vielzahl von Gerichtsurteilen bestätigt worden.

Die Lehman-Geschädigten werden bei der zentralen Veranstaltung in Frankfurt am Main und weiteren regionalen Aktionen erneut intensiv auf ihre Situation und das bisher enttäuschende Verhalten von Banken und Politik aufmerksam machen. Die Banken stellen sich ihrer Verantwortung gegenüber ihren Kunden weiterhin nicht oder verschanzen sich, wie die Citibank, hinter ungenügenden „Kulanzregelungen“ ohne jede Schuldanerkenntnis. Die Lehman-Geschädigten verlangen weiterhin eine umfassende Rückabwicklung der Zertifikate als Konsequenz aus der weitverbreiteten Falschberatung durch die Banken.

Regierung, Politik und Regulierungsbehörden in Deutschland haben den Lehman-Geschädigten bisher wenig Unterstützung zukommen lassen. Im Allgemeinen wird Verständnis gezeigt und auf den Rechtsweg verwiesen, wie es auch Bundeskanzlerin Merkel am 17.5. bei einer RTL-Fragestunde einer Lehman-Geschädigten aus Berlin gegenüber getan hat. Die beschlossene Stärkung der Anlegerrechte ab 2010 hilft den bereits Geschädigten nicht. Im Gegensatz zu den Banken, die als „systemrelevant“ eingestuft wurden und massive staatliche Hilfen erhielten können Kleinanleger und Sparer nicht mit einer solchen Unterstützung rechnen. Die Beispiele von Italien, Großbritannien und Hong Kong zeigen, dass Regierung und Politik sowie die Regulierungsbehörden durchaus Druck auf die Banken ausüben und erfolgreich Vermittlungsfunktionen übernehmen können.

Weltweite Dimension

Die Situation der Lehman-Geschädigten in Deutschland war leider kein Einzelfall. Sehr ähnliche Problematiken sind bisher aus Belgien, Österreich, England, Spanien, der Schweiz, Italien, Polen, den UAE, USA, Hong Kong, Taiwan und Singapur bekannt. Die deutschen Opfer der Lehman-Pleite haben mit vielen ähnlichen Organisationen weltweit Kontakt aufgenommen.

Ebenfalls am 15.9. finden in Hong Kong und London Demonstrationen der dortigen Lehman-Geschädigten statt, die vergleichbare Ziele verfolgen. Die Lehman-Opfer in Hong Kong treffen sich im Finanzzentrum der Stadt (Bank St./Des Voeux Road Central, Hong Kong Island). Die Aktion in London findet vor der Aufsichtsbehörde Financial Service Authority im Bankenzentrum Canary Wharf unter Beteiligung des Unterhaus-Abgeordneten Ed Vaizey (www.vaizey.com) statt.

Hintergrund

Den meist älteren Anlegern und Sparern wurden die Lehman-Zertifikate von Ihren Banken (überwiegend Citibank, Dresdner Bank sowie die Sparkassen in Hamburg und Frankfurt) regelmäßig als sichere und konservative Anlageform empfohlen. Tatsächlich sind Zertifikate Schuldverschreibungen mit einer Derivatekomponente, die das Risiko eines Totalverlusts in sich bergen und nicht vom Einlagensicherungsfonds abgesichert sind. Mit der Insolvenz des US-Bankhauses verloren bundesweit schätzungsweise 40.000 Personen insgesamt mindestens 692 Millionen Euro (Quelle: Verbraucherzentrale Hamburg). Während institutionelle Investoren in Deutschland mit Hilfe einer staatlichen Kreditgarantie weitgehend durch die Einlagensicherung der Banken entschädigt wurden, sind private Kleinanleger bisher weitgehend leer ausgegangen. Die wenigen Kulanzangebote der Banken zeichnen sich bisher durch fehlende Transparenz und weitreichende sowie willkürliche Ausschlußkriterien aus.

Die Lehman-Geschädigten haben es allerdings innerhalb der letzten 12 Monate geschafft durch Hunderte von Mahnwachen vor den Bankfilialen, aufmerksamkeitsstarke Protestzüge, intensive Pressearbeit und kleinteilige Aufklärung der Allgemeinheit das anfängliche Image der „zinsgeilen Zocker“ zu korrigieren. Die Öffentlichkeit nimmt die Geschädigten nun als Opfer von zu komplexen Finanzprodukten und (bestenfalls) unprofessioneller Bankberatung wahr. Auch die bisher von den Gerichten gegen die Banken gefällten Urteile wegen Falschberatung sind, trotz für die Geldinstitute günstiger Gesetzeslage, ganz überwiegend zugunsten der Geschädigten ausgefallen.

Bundesweite Organisation

Die Lehman-Geschädigten haben sich seit der Pleite der US-Investmentbank bundesweit über regionale Treffen organisiert und bereits zahlreiche Protestaktionen und Mahnwachen veranstaltet. Dreh- und Angelpunkt des Informationsaustauschs sind die Webseite sowie das Forum unter . Die Webseite hat seit Anfang Oktober 2008 über 255.000 Besucher und über 706.000 Seitenaufrufe verzeichnet; das Forum hat über 25.000 Beiträge und mehr als 2,5 Millionen Seitenaufrufe gehabt (Stand 6.9.09).

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)