Regelmäßige Beratung im Klubhaus im Falkenhagener Feld
„Viele hochqualifizierte Migranten leben in Berlin, also auch im Kiez Falkenhagener Feld Ost. Ein grundsätzliches Problem ist oft die fehlende Anerkennung der Ausbildung. Ohne diese Anerkennung ist es fast unmöglich, im gelernten Beruf Fuß zu fassen.“
Im Klubhaus in der Westerwaldstraße wird jeden Mittwoch eine Beratung zur Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen angeboten. Ein Gespräch mit Herrn Dimitrischin zeigt ein paar Schlaglichter auf die Erfahrungen im Beratungsalltag.
Die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen ist seit dem 1. April auf rechtlich greifbare Füße gestellt worden.
Am 1. April 2012 ist das Anerkennungsgesetz des Bundes in Kraft getreten. Das Gesetz schafft erstmals einen Rechtsanspruch auf ein Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen – und zwar für alle, unabhängig vom Herkunftsland, und innerhalb von drei Monaten nach Einreichen der erforderlichen Papiere.
„Durch dieses Gesetz darf beispielsweise ein hochqualifizierter Arzt aus dem Ausland endlich auch als Arzt arbeiten – und muss nicht mehr länger Taxi fahren“, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan. „Für mich ist das eine Frage der Gerechtigkeit und des Respekts vor der Qualifikation eines Menschen“. Schätzungsweise bis zu 300.000 Menschen könnten von dem Gesetz profitieren. „Das Anerkennungsgesetz ist ein Meilenstein in der Integrationspolitik“, betonte Schavan. Zugleich sei die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen ein Baustein bei der Behebung des Fachkräftemangels.
Weitere Informationen zum Anerkennungsgesetz gibt es unter:
Überwindbare Hürden
Durchschnittlich nutzen zwischen 5 und 8 Personen in der Woche die Beratungsmöglichkeit im Falkenhagener Feld. Eine Beratung dauert zwischen 40 und 60 Minuten. Im Regelfall kommen die Leute zwei bis dreimal zum Gespräch bei Respekt e.V., bis eine Beratung abgeschlossen ist, manche dagegen bis zu einem Dutzend Mal. Der Hälfte der Klienten kann am Schluss geholfen werden.
Manchmal treten überraschende Hürden auf, meinte Herr Dimitrischin, der u.a. die Beratungen im Klubhaus durchführt, in einem Gespräch. So kam vor einiger Zeit ein junger Mann aus den USA nur mit einer Chipkarte daher. Alle Informationen zu seinem High-School-Abschluss waren dort gespeichert. Ein Lesegerät für diese Art von Informationsmedien ist nicht vorhanden.
Herr Dimitrischin empfiehlt jedem Fragenden, sich vorher anzumelden. Dann können schon im Vorfeld wichtige Fragen geklärt werden. Für die mögliche Anerkennung der Ausbildung sind in jedem Fall gedruckte Unterlagen notwendig.
Oft kommen Menschen aus den Staaten Nordafrikas zur Beratung. All die unterschiedlichen Sprachen können natürlich nur einigermaßen bedient werden, wenn diese sich vorher angemeldet haben, weil dann versucht wird, einen passenden Dolmetscher zu stellen. Spontane Besucher haben da erst einmal schlechte Karten, betont Herr Dimitrischin. Sprachliche Hürden bereiten die größten Anfangshürden.
Nicht jeder hat eine Chance
70 Prozent der Rat Suchenden verfügen über einen Hochschulabschluss. Die Neuerungen im Gesetz seit dem 1. April wecken bei vielen die Hoffnung, nun viel einfacher ihren alten Abschluss anerkannt zu bekommen. Diese ist leider sehr trügerisch. Die Enttäuschung ist dann groß. Eine erste Ablehnung wird nur selten in eine Anerkennung umgewandelt. Schon eine teilweise Anerkennung bedeutet aber für viele schon einen Erfolg.
Wichtig ist bei den Antworten auf den Versuch zur Anerkennung, dass ein Weg aufgezeichnet werden muss, bei dem eine vollständige oder teilweise Anerkennung der Ausbildung möglich wäre, so sie denn aus bestimmten Gründen nicht vollständig ausgeschlossen ist. Mit dem neuen Gesetz sind die Antworten deutlich nachvollziehbarer geworden. Sie zeichnen immerhin eine Perspektive auf – oder begründen die eindeutige Ablehnung.
Wo treten Schwierigkeiten auf?
Zu unterscheiden sind reglementierte und nicht reglementierte Berufe. Erstere, wie z. B. alle juristischen, medizinischen, pflegerischen, pädagogischen Berufe und alle Architekten, dürfen in keinem Fall ohne eine Anerkennung in diesem Beruf arbeiten oder sich entsprechend bezeichnen. In nicht reglementierten Berufen kann jeder jederzeit tätig sein. Bei technischen Berufen ist eine Anerkennung noch relativ einfach.
Wenig Perspektiven auf eine Anerkennung haben meist Juristen, die anderswo ihre Ausbildung genossen haben. Ähnliches gilt für Lehrer. In Deutschland sind zwei Staatsexamina notwendig, in anderen Ländern nur eines. Die deutsche Sprache muss gerade bei Lehrern natürlich perfekt beherrscht werden. Seltene Ausnahmen wären höchstens Tätigkeiten, bei denen die Muttersprache im Unterricht von Bedeutung ist. Ein Geschichtslehrer aus den GUS-Staaten wird hier kaum Anerkennung finden.
Ärzte, Erzieher und Architekten haben da etwas weniger Schwierigkeiten. Meist können diese in der Praxis gelöst werden.
Umwege gehen …
Eine nicht zu unterschätzende Hürde ist das Alter. Falls für eine Anerkennung ein Aufbaustudium oder weitere Ausbildungsschritte notwendig sind, die viel Zeit erfordern, ist dies für viele kaum mehr diskutabel, weil eine Chance, im hohen Alter noch einen beruflichen Neueinstieg zu schaffen, eher gering ist.
„Natürlich unterstützen wir alle, die diesen Weg trotzdem gehen möchten“, betont Herr Dimitrischin. „Wir empfehlen aber auch andere, schneller funktionierende Wege.“
Eine Anerkennung ist nicht kostenlos zu bekommen. Je nach Institution und Aufwand können Gebühren von 50 bis zu mehreren hundert Euro anfallen. Die IHK gehört erfahrungsgemäß zu den besonders teuren. Für Hartz-IV-Empfänger besteht durchaus eine Möglichkeit („Kann-Leistung“), diese erstattet zu bekommen – wenn der Sachbearbeiter dem aus nachvollziehbaren Gründen zustimmt.
„Menschen aus reglementierten Berufen, die praktisch keine Chance auf Anerkennung haben, wie z.B. Geschichtslehrern aus den GUS-Staaten, empfehlen wir Umschulungen, um sie wenigstens in vergleichbare Berufe zu bringen. Auch wenn die Qualifikation im Anschluss eine geringere ist, als das absolvierte Studium, bleibt so immerhin die Gelegenheit, im ähnlichen Berufsfeld zu arbeiten. Das ist besser, als die sonst übliche Job als Putzhilfe usw.“
Eine Person, die in Russland einmal Ökonomie studiert hat, würde hier in diesem Bereich keine Arbeit bekommen. Über eine Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann verschafft ihr die Gelegenheit, in einem verwandten Berufsfeld tätig zu sein.
Bei uns gibt es keine Angst
Es gibt leider auch Fälle, bei denen Fallmanager im Jobcenter, einen neuen Anlauf auf Anerkennung von ihren Klienten fordern, obwohl klar ist, dass auch nach dem neuen Gesetz wieder eine Ablehnung erfolgen wird.
Die Beratungsstelle von Respekt e. V. hat nun die Möglichkeit, dem Klienten eine Weiterbildungsmöglichkeit z.B. zum Interkulturellen Berater zu vermitteln, deutlich weniger qualifiziert, aber mit einer Chance, wirklich wieder arbeiten zu gehen. Diese Fortbildung dauert etwa 5 bis 6 Monate. Leider ist der Klient beim Fallmanager viel zu aufgeregt, um seine Absichten adäquat vorzubringen. Ein dauernder „Blackout“ aus „Angst, etwas falsch zu machen“ verhindert in diesem Fall die Äußerung des Wunsches.
Wer zur Beratung des Respekt e.V. kommt, kennt diese Angst nicht, weil hier keine große anonyme Institution Hilfen anbietet. „Bei uns fühlen sich die Rat Suchenden auf gleicher Augenhöhe. Dinge werden angesprochen, die anderswo nicht geäußert würden.“
Erfahrungen mit dem Jobcenter
„Wir hatten letztens einen Doktor der Philosophie aus der ehemaligen DDR hier. Sein letztes Arbeitsfeld war die Zusammenarbeit mit Pakistan und Indien. Da das Jobcenter nicht in der Lage ist, ihn vernünftige einzuordnen, wird er nun als ungelernte Kraft geführt. Als Arbeitsangebote flattern ihm nun regelmäßig Putzjobs ins Haus.“
Für solche Personen ist es schwierig, aus dem Teufelskreis Hartz-IV zu entkommen, denn auch Putzjobs sind meist nur befristet oder deutlich unterbezahlt zu haben.
Ein anderer Fall betraf einen Automatisierungsingenieur aus Kirgisien, der rund 10 Jahre nicht mehr in seinem Beruf gearbeitet hatte. Er selbst war sich darüber klar, hier in Deutschland keine Chance mit dieser Ausbildung zu haben. Darum wollte er hier eine Ausbildung zum Energieanlagenelektroniker machen. Sein Fallmanager legte ihm aber nahe, da er hoch qualifiziert sei, dies weiterhin in diesem Bereich zu versuchen und versperrte ihm so den Weg, einen zwar geringer qualifizierten, aber immerhin verwandten Beruf auszuüben. Ohne Bildungsgutschein ist keine Ausbildung für einen Hartz-IV-Empfänger möglich. Damit verbleibt er weiter im Hartz-IV-bezug, gegen seinen Willen.
Nun suchte er sich auf Anraten des Respekt e.V. einen Praktikumsplatz in einem ähnlichen Bereich. Während dieser Zeit bewarb er sich auf Arbeitsangebote in seinem ureigenen Berufsfeld, dokumentierte dies ausführlich und wandte sich anschließend mit den Absagen wieder an den Fallmanager. Nun klappte es mit dem Bildungsgutschein. Manchmal dauert es ein wenig. Wieder verhalf ein kleiner Umweg zum Erfolg.
„Die wichtigste Aufgabe im Rahmen der Beratung ist es, den Klienten Mut zu machen und sie zu unterstützen, auch wenn es mal länger dauern sollte. Fallmanager im Jobcenter haben selten die Zeit, manchmal sogar keine Lust, eine vergleichbare Unterstützung zu leisten.“
Ralf Salecker
Beratung durch das Integrationswerk RESPEKT e. V.
- Telefonische Voranmeldung: 030/ 29 03 11 -25/ -27
- Ansprechpartner: Fr. Kasten, Fr. Yevtushenko
- Berater: Herr Dimitrischin
Infomationen zu folgenden Themen werden angeboten:
Nachqualifizierung, Sprachkursen, berufsbezogenem Deutsch, Praktika mit beruflicher Perspektive, Gründung und Selbstständigkeit, migrantische Unternehmen und Betriebe, handwerklich-technische Abschlüsse, Abschlüsse aus sozialen Berufen,
Sprachen: Deutsch, Russisch, Ukrainisch, Englisch
Zeit
- jeden Mittwoch von 15 – 19 Uhr
- Start: Januar 2012
Ort
- Neues Klubhaus (Beratungsraum)
- Westerwaldstr. 13,
- 13589 Berlin
Öffentliche Verkehrsmittel
- BUS M37, 337 „Westerwaldstr“
- BUS 134, 130 „Pionierstr./Zeppelinstr.“