Einblicke in die Vielfalt jüdischen Lebens im Klubhaus Spandau
Die erfolgreiche Ausstellung wird bis zum 18.4.2018 verlängert. Aus Fremdheit entstehen Vorurteile oder sogar Hass. Die Ausstellung „L’Chaim – Auf das Leben!“ im Klubhaus Spandau zeigt Einblicke in das jüdische Leben, um Vorurteilen zu begegnen. In kleinen Portraits im privaten Umfeld erzählen Nachbarn von sich und ihrem Leben, die so vielfältig sind, wie der Rest der Berliner auch: „Fragen zu Migrationserfahrung, die Zugehörigkeit zu einer Minderheit oder nach Familiengeschichte und Herkunft sind die biografischen Ansätze die einen emphatischen Zugang zum Judentum ermöglichen und auch Anknüpfungspunkte an das eigene Leben der Besucher schaffen sollen.“
Eröffnet wurde die Ausstellung am 13. Februar durch den Kurator Joachim Seinfeld, Uwe Hofschläger (Jugendgeschichtswerkstatt), Aycan Demirel (Geschäftsführer der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus kurz KIGA e.V.), Bettina Jarasch (MdA, Bündnis90 Die Grünen; Sprecherin für Integration und Flucht, Sprecherin für Religionspolitik), und Stephan Machulik (Bezirksstadtrat, SPD). Zwei junge Musiker aus dem Klubhaus lieferten das musikalische Begleitprogramm und die Tanzgruppe Regenbogen e.V. führte unterschiedliche Volkstänze auf. Das engagierte Team des Klubhaus Spandau sorgte wie immer für eine sehr gelungene Veranstaltung. Die Ausstellung ist in jedem Fall sehens-, lesens- und hörenswert. Man kann ihr nur möglichst viele interessierte Besucherinnen und Besucher wünschen.
Die Ausstellung „L’Chaim“ ist bis zum 18.4. während der üblichen Öffnungszeiten (Mo – Fr von 10 bis 20 Uhr) im Klubhaus zu betrachten. Für Schulklassen/Gruppen wird es ein spezielles Begleitprogramm geben: Hier ist eine Voranmeldung unter info@klubhaus-spandau.de (oder Tel.: 030 – 3789090) notwendig. Vorangemeldete Gruppen können die Ausstellung schon ab 8 Uhr besuchen. Zur Ausstellung wird eine Online-Plattform entwickelt, die pädagogisches Material für die schulische und außerschulische Bildung in den Themenfeldern Judentum, Antisemitismus, Identität und Zusammenleben bereithalten wird.
In der Ausstellung können Workshops durchgeführt werden, die in die Thematik der Vielfalt jüdischen Lebens in Berlin einführen und die Schülerinnen und Schüler in einen Dialog über eigene Bezüge und Perspektiven auf die Themen der Ausstellung bringen: Judentum, Antisemitismus, Identität und Zusammenleben. Der Workshop richtet sich an Schülerinnen und Schüler ab der 9. Klasse. Alle Workshops (kostenfrei) umfassen zwei Unterrichtsstunden (90 Minuten) und werden bei einer Gruppengröße von 30 Schülerinnen und Schüler von zwei Teamenden durchgeführt. Natürlich kann dieser auch nachmittags stattfinden.
Inzwischen ist Berlin quasi die Hauptstadt jüdischen Lebens in Deutschland. Trotzdem hat die jüdische Gemeinde noch bei weitem nicht die Größe von früher erreicht. Rund 25.000 Jüdinnen und Juden leben in Berlin. Vor dem Krieg waren es mehr als 160.000. Wie bei den „christlichen“ Berlinern, sind auch die Juden nicht alle gläubig. Sie betrachten das Judentum eher als kulturellen Hintergrund – so wir auch wir es meist tun. Abgesehen von den Alteingesessenen kommen sie aus aller Herren Länder, so z.B. der Sowjetunion oder Israel.
Die Ausstellung „L’Chaim – Auf das Leben“ der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus porträtiert alltägliches aus dem Leben von 37 Jüdinnen und Juden – vom Gemeinderabbiner bis zum Punk – und gewährt einen Einblick in die Vielfalt jüdischen Lebens sowie in die Gedanken- und Gefühlswelten von Jüdinnen und Juden in Berlin. 2016 entstanden die ersten Ideen dazu. Die Jugendgeschichtswerkstatt Spandau, das Klubhaus und das Jugendamt bemühten sich, die Ausstellung nach Spandau zu holen. Im November letzten Jahres hatte die mit Lottomitteln finanzierte Ausstellung ihren Auftakt im Abgeordnetenhaus von Berlin. Das Klubhaus an der Westerwaldstraße ist die erste Station in einem Berliner Bezirk.
Die Wanderausstellung gewährt einen Einblick in zahlreiche Facetten jüdischen Lebens sowie in die Gedanken- und Gefühlswelten einzelner Jüdinnen und Juden in Berlin. Dazu gibt es einführende Texte, ein Glossar mit Begriffserklärungen und eine Karte mit den in der Ausstellung erwähnten Orten. Kern der Ausstellung bilden Themenfilme, die auf den Interviews mit den Protagonistinnen und Protagonisten basieren. Die Gespräche mit den Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sozialisation und Interessen thematisieren den Bezug zu Berlin und Deutschland, zu Beruf, Familie, Sexualität und dem Verhältnis zur Religion. … Zudem kommen Nichtjuden zu Wort, die sich für jüdische Belange und das Verständnis untereinander einsetzen.
… Die dreisprachige Ausstellung (Deutsch, Arabisch, Englisch) richtet sich grundsätzlich sowohl an Jugendliche als auch an Erwachsene. Ein besonderes Augenmerk sowie ein spezielles pädagogisches Programm gilt Schülerinnen und Schülern sowie Jugendlichen, die als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind und hier im Rahmen politisch-historischer Bildung eine von Vielfalt geprägte Gesellschaft kennenlernen sollen. (aus der Pressemeldung zur Ausstellung)
Übergriffe auf jüdische Mitbürger
Jüdisches Leben hat vor dem 2. Weltkrieg erheblich zur kulturellen Vielfalt und Blüte Berlins beigetragen. Der größte Teil der jüdischen Bevölkerung kam unter den Nazis ums Leben oder floh. Man könnte meinen, die Zeit der Anfeindungen sei vorbei. Dem ist leider nicht so. Im Jahr 2017 stellte die Polizei bundesweit insgesamt 1453 antisemitische Delikte fest, wobei die Dunkelziffer weit höher liegen dürfte. Pro Tag sind das etwa vier antisemitische Straftaten. Allein in Berlin waren es 228 judenfeindliche Straftaten. Die meisten davon haben einen rechten Hintergrund, aber nicht nur: Es sind Rechtsextremisten, Islamisten und Mitläufer mit unterschiedlicher Motivation, die gegen Juden in Deutschland hetzen. Die Bereitschaft, von Außenstehenden in solchen Situationen Hilfe zu leisten, scheint kaum vorhanden zu sein.
Viele Berliner wissen wenig über ihre jüdischen Nachbarn. Alte Ressentiments scheinen heute leider wieder „in Mode“ zu kommen. Dazu kommen vermehrt auch Vorurteile von Muslimen gegenüber Juden, die meist eher ihren Ursprung in einer „Israel-Kritik“ haben, sich aber vereinfacht in Judenhass äußern.
Die Ausstellung will den Umstand der Unkenntnis von jüdischem Leben ausräumen, indem sie nicht den abstrakten Weg einer dokumentarischen Beschreibung wählt. Vielmehr kommen die Nachbarn zu Wort. Sie erzählen aus ihrem Wohnzimmer heraus aus ihrem Leben. Wer seine Nachbarn in ihrer Vielfalt kennt, wird sie schwerlich hassen können: „Wissen bringt Toleranz“.
Ausstellung: L’Chaim – Auf das Leben!
- Ausstellungssprachen: Deutsch, Englisch, Arabisch
- Kuratiert von Joachim Seinfeld und Lukas Welz
- Klubhaus Spandau
- Westerwaldstraße 13
- 13589 Berlin
- 3789090
- info@klubhaus-spandau.de
Spuren jüdischen Lebend in Spandau
In Spandau gibt es nur noch wenige Spuren jüdischen Lebens zu entdecken. In der Spandauer Altstadt steht in der Grünanlage am Lindenufer (seit 2016 Sternbergpromenade) das Mahnmal für die zerstörte Spandauer Synagoge und die Opfer der Shoah. Die Synagoge stand am Lindenufer / Ecke Kammerstraße und wurde in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 durch Brandstiftung zerstört.
In der Spandauer Altstadt weist die Jüdenstraße (früher Kinkelstraße), die es schon seit dem 14. Jahrhundert gibt, auf das jüdische Leben im frühen Spandau hin. Die früheste bekannte Überlieferung des Namens stammt aus dem Jahr 1537. Am südlichen Ende der Jüdenstraße befand sich nach Quellen aus dem 18. Jahrhundert eine Synagoge, die 1342 erstmals in schriftlichen Quellen nachzuweisen ist. 1938 ließen die Nationalsozialisten die Straße im Zuge der Tilgung jüdischer Straßennamen nach dem Kunsthistoriker Gottfried Kinkel in Kinkelstraße (der 1850 im Spandauer Zuchthaus einsaß und vom Carl-Schurz befreit wurde) umbenennen. 2002 erfolgte nach vielem Hin und Herr die Rückbenennung in Jüdenstraße. Während der Veranstaltung kam es judenfeindlichen Äußerungen.
Auf der Spandauer Zitadelle können im archäologischen Fenster in der Westkurtine Grabsteine eines jüdischen Friedhofs betrachtet werden, die darauf schließen lassen, dass schon im 13. Jahrhundert Juden in Spandau lebten. Anfang des 16. Jahrhunderts wurde der jüdische Friedhof im Zuge eines Pogroms zerstört und dessen Grabsteine als Baumaterial für die Zitadelle eingesetzt. Der ehemalige jüdische Friedhof selbst wird nordwestlich der Spandauer Altstadt in einem Flurstück namens Hasenmark vermutet.
Eine Gedenktafel in der Feldstraße 8 in der Spandauer Neustadt weist auf ein jüdisches Altersheim hin. Es wurde 1929 von der Sternberg-Stiftung für die Jüdische Gemeinde Spandau erworben. Am 3.3.1943 wurde das Haus enteignet. Das Gebäude war eines der Spandauer „Judenhäuser“. Von hier aus erfolgten mindestens zwölf belegbare Deportationen.