Sich kennenlernen bedeutet Vorurteile ablegen
Zur Langen Nacht der Religionen öffneten vier religiöse Gemeinden in Spandau ihre Tore. Dazu gehörte auch die evangelische Zufluchtsgemeinde im Falkenhagener Feld. Als Gast begrüßte Pfarrerin Kraft den Imam der Teiba-Moschee in Hakenfelde, Ferid Heider.
Die Notwendigkeit von Gesprächen
Miteinander ins Gespräch kommen, um Vorurteile und Ängste abzubauen, ist gerade in heutiger Zeit immer wichtiger. Wenn rechte oder rechtspopulistische Parolen inzwischen fast „zum guten Ton“ gehören, der Islam wegen mancher Auswüchse generell dämonisiert und Flüchtlinge und Migranten schnell mit Kriminalität und Überfremdung in einen Topf geworfen werden, frei nach dem Motto „es musste ja endlich mal ausgesprochen werden“, dann ist es besonders wichtig, wenn Kulturen und Religionen miteinander in Kontakt kommen.
In Spandau wurde diese Gelegenheit in der Langen Nacht der Religionen genutzt. Pfarrerin Kraft von der evangelischen Zufluchtsgemeinde im Falkenhagener Feld zeigte sich erfreut über den Austausch zwischen den Religionen. Ferid Heider kann sich gut vorstellen, umgekehrt selbst zu einem ähnlichen Treffen einzuladen.
Wäre die Welt eine bessere, ohne Religion?
Ferid Heider begann seine Rede mit dem Hinweis, dass heutzutage gerne Religionen für das Leid in der Welt verantwortlich gemacht werden, dies insbesondere dort, wo Menschen eher wenig mit Religion am Hut haben. „Wäre die Welt demzufolge eine bessere, ohne Religion?“, stellte er die Frage in den Raum, um sie auch gleich zu beantworten. Die großen Weltreligionen haben seiner Meinung nach erst Begriffe wie Toleranz und Feindesliebe geprägt. Sie haben alle drei viel mehr gemeinsam, als ihnen gerne unterstellt wird. Frieden und Barmherzigkeit seien ihre wichtigsten Kernbotschaften. Hass und Verachtung lassen sich religiös nicht begründen, so Ferid Heider. Von solchen Auswüchsen müssen sich Menschen aller Religionen in jedem Fall distanzieren. Gleiches gilt für den intoleranten Umgang mit Migranten oder generell Mitgliedern anderer Kulturen. Im Gespräch zwischen den Religionen gilt es, die Gemeinsamkeiten hervorzuheben und trotzdem Unterschiede zu respektieren und zu bewahren.
Ferid Heider
Ferid Heider wuchs in eher weltlicher Umgebung als Jugendlicher in Neukölln auf. Das Elternhaus war nicht besonders religiös, brachte ihm aber gleich den Kontakt zu zwei Weltreligionen. Sein Vater stammt aus dem Irak, seine Mutter ist polnisch stämmige Katholikin. Nach der 10. Klasse ging er fünf Jahre in Ägypten auf eine Schule, um die Sprache seines Herkunftslandes zu lernen. Dort entdeckte er die Religion für sich. Zurück in Deutschland leistete seinen Zivildienst als Altenpfleger, um sich anschließend in Frankreich an einer sehr konservativen Schule zum Imam ausbilden zu lassen. Damit gehörte er wohl zu den jüngsten der rund 2000 Imame in Deutschland.
Imam bedeutet eigentlich nur „jemand, der vorne steht“ und ist damit nicht unbedingt eine Bezeichnung für ein religiöses Amt.
Manch liberale Muslime sehen in ihm einen Hardliner. Johannes Kandel vom Referat der Friedrich-Ebert-Stiftung für den interkulturellen Dialog, bezeichnete die von Ferid Heider in seinen religiösen Fernkursen verwendeten Materialien als fundamentalistisch.
Ferid Heider ist streng gläubiger Muslim. Ihm wird einerseits eine Nähe zu erzkonservativen islamischen Organisationen nachgesagt, andererseits tritt er offen gegen Zwangsheirat und Ehrenmorde und für ein offenes Miteinander ein.
Er betont, dass es keinen Widerspruch zwischen Grundgesetzt und Scharia gebe. Für ihn ist der Islam eine tolerante und gütige Religion, auch wenn andere dies anders auslegen. Die Taten von ISIS bezeichnet er als rücksichtslos und grausam, sie hätten nichts mit dem muslimischen Glauben zu tun, vielmehr würden eher materielle Gründe deren Motivation sein.
Eine Wiederholung wäre wünschenswert
Der Gedankenaustausch zur langen Nacht der Religionen im Falkenhagener Feld mit dem anschließenden gemütlichen Grillabend war ein guter Anfang, um quasi in privater entspannter Atmosphäre einander näher zu kommen, sich abseits offizieller Aktionen kennenzulernen und Vorurteile abzubauen.