Bombentreffer auf der Lanke Werft

Spandauer Erinnerungen von Jörg Sonnabend 1942-1945 – Teil 3

Kai-Anlagen der Lanke-Werft 1943
Kai-Anlagen der Lanke-Werft 1943

Die Bomber griffen jetzt in immer größeren Pulks an. Das tiefe Gebrumme der Britischen Blenheim-, Halifax- oder Lancaster-Bomber erfüllte manchmal den ganzen Himmel. Wenn sich das Ganze mal nicht direkt über uns abspielte durften wir auch mal einen Blick nach draußen werfen. Wobei man immer darauf achten musste, dass man immer überdacht stand, oder wie die Luftschutzwarte, einen Stahlhelm trug. Denn die größte Gefahr beim Aufenthalt im Freien waren die rumfliegenden Granatsplitter der Flakgranaten.

Ansonsten bot der Himmel immer ein riesiges Feuerwerk. Man sah die sog. „Weihnachtsbäume“, das waren Bündel von Leuchtkugeln mit denen die Vorhut Bombardierungsgebiete für die nachfolgenden Maschinen absteckte, Scheinwerfer suchten den Himmel ab und dazwischen die Mündungsfeuer der Flak und die Leuchtspur der 2 cm Schnellfeuer-Vierlings Flak. Die Luft war außerdem erfüllt mit einem gewaltigen Schlachtenlärm. Für uns, d. h. für die Bewohner unseres Hauses wurden die nächtlichen Angriffe beinahe zur Routine.

Geweckt von der Sirene zog man sich, noch schlaftrunken, notdürftig an, schnappte sich den Notfallkoffer und dann ab in den Keller. Dann setzte auch schon der Flakbeschuss ein und die ersten Bomben pfiffen durch die Luft. Wir konnten von Glück sagen, dass die Lanke Werft, trotzdem sie ja als Bombenziel interessant war, zwar etliche Bombentreffer erhielt aber immer weiter produzieren konnte.

Auch unser Wohnhaus erhielt, Gott sei Dank, nur Brandbombentreffer, die aber von der Luftschutzwache immer rechtzeitig gelöscht werden konnte. Den größten Schaden auf der Werft richtete der Treffer einer Luftmine an. Zu dem Begriff „Luftmine“ muss folgendes gesagt werden.: Es waren sehr große Bomben mit mindestens 500 kg Sprengstoff. Die Zünder waren so eingestellt, dass die Bombe nicht erst in der Erde sondern bereits kurz vor dem Aufschlag explodierte. Sie hinterließ dadurch keinen großen Trichter, entwickelte aber eine sehr große Druckwelle, die noch in ca. 1000 m Entfernung ihre Wirkung zeigte.

Ich kann mich an diesen Angriff noch genau erinnern. Die Mine traf die hintere Slip Anlage der Werft, also ca. 250 m von unserem Luftschutzkeller entfernt. Wie immer, wenn wir das Pfeifen einer Bombe hörten lagen wir bereits auf dem Boden. Es setzte ein unbeschreibliches Grollen, Pfeifen und prasseln ein, die Erde bebte, das Licht ging aus und alles war mit dichtem Staub erfüllt.

Trotzdem kein Gebäude der Werft direkt getroffen wurde ging doch ziemlich viel zu Bruch. Die Fenster sind teilweise mit Rahmen rausgeflogen, Türen waren eingedrückt. Balken, Transportkisten und anderes Arbeitsmaterial waren über den ganzen Werft Hof verstreut. Ein großes Trümmerfeld. In unseren Wohnungen waren natürlich auch keine Fensterscheiben mehr ganz, Putz war von den Wänden gefallen und lag teilweise auf den Betten. Um noch ein paar Stunden zu schlafen musste erst einiges aufräumt werden.

Bomben dieses Kalibers hat die Werft nicht mehr abbekommen, für kleinere Sprengbomben und Brandbomben waren wir aber immer noch ein lohnendes Ziel.

 

Jörg Sonnabend

Ende Teil 3 von 5

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