Das Wendenschloss in der Spandauer Altstadt

Mehr Schein als Sein

Das "Wendenschloss" in der Spandauer Altstadt (Foto: Ralf Salecker)
Das „Wendenschloss“ in der Spandauer Altstadt (Foto: Ralf Salecker)

Eine Altstadt lebt naturgemäß von ihren alten Häusern. Wer in Spandau durch die Gassen und Straßen der Altstadt schlendert, wird natürlich auch am sogenannten Wendenschloss, dem Ackerbürgerhaus, in der Jüdenstraße 35 (früher Kinkelstraße, benannt nach dem Theologen Gottfried Kinkel) Ecke Ritterstraße vorbeikommen. Das Herz von Freunden alter Fachwerkhäuser wird erst einmal höher schlagen. Imposant erhebt sich der Bau mit dem großen Eingangstor am Straßeneck.

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Der Anblick täuscht. Das scheinbare Fachwerk ist nur Fassade. Das „Blendwerk“ ist dem Betonkern „übergestülpt“. Nun mag man meinen, das wäre doch egal, wesentlich ist, wir haben den Schein alter Bausubstanz in der Spandauer Altstadt. Vieles ist im Krieg zerstört worden, oder fiel den „Sanierungen“ der Nachkriegsjahre zum Opfer.

Das Ackerbürgerhaus hätte durchaus im Original überleben können. Im 17. Jahrhundert (1781) entstand hier wirklich ein Ackerbürgerhaus, welches im Volksmund heute Wendenschloss genannt wird, auch wenn niemand genau sagen kann, woher diese Bezeichnung stammt. Wenden hat es hier nie gegeben. Ackerbürger waren (Stadt-)Bauern, die in der Stadt lebten, also Bürgerrechte besaßen, ihren Haupterwerb aber mit landwirtschaftlicher Tätigkeit bestritten. Ihre Ländereien lagen innerhalb des städtischen Einflussbereiches. Kennzeichnend für ein Ackerbürgerhaus sind u.a. die großen Toreinfahrten.

Das ursprüngliche "Wendenschloss" in der Spandauer Altstadt (Bild: Stadtgeschichtliches Museum)
Das ursprüngliche „Wendenschloss“ in der Spandauer Altstadt (Bild: Stadtgeschichtliches Museum)

1888 wurde das Haus als Restaurant genutzt. Im Laufe der Jahre verfiel es zusehens. 1966 riss man das Original ab – obwohl das Gebäude unter Denkmalschutz stand und eigentlich gerade noch rechtzeitig Gelder für eine Sanierung zur Verfügung gestellt wurden. So kann es gehen, wenn Landeskonservatoren eigenwillige Wege gehen. Der damals zuständige Landeskonservator bezeichnete den „Neubau“ als Wunder der Denkmalpflege“. Andere würden dies mit deftigen Worten weniger freundlich beschreiben. Die Nikolaikirchgemeinde erwarb das Grundstück und errichtete an selber Stelle einen Neubau mit vorgeblendetem Fachwerk als Nachbildung des ursprünglichen Gebäudes. Die Schüler der Spandauer Kunstbastion setzten sich 2013 auf ganz eigene Art und Weise in einem Kunstprojekt („DAS „WENDENSCHLOSS“ – GESCHICHTE EINES FACHWERKHAUSE“) mit dem Wendenschloss auseinander.

Übrigens! Heute erfreuen wir uns an Fachwerkhäusern wegen ihres typischen Anblicks – dem Fachwerk. In der Spandauer Altstadt existieren noch viel mehr davon. Man sieht es ihnen nur nicht an. Früher wurde Fachwerk aus brandschutzgründen verputzt. Der Putz sorgte für einen Schutz der brandempfindlichen Holzbalken. In Spandau wüteten früher viele verheerende Brände, denen große Bereiche zum Opfer fielen. Später wurde der Putz aus „sozialen“ Gründen angebracht. Man wollte sich bewusst von der ländlichen-bäuerlich Fachwerkbauweise abgrenzen. In Städten galten Steinhäuser als Zeichen von Wohlstand. Putz war also so etwas wie „soziale Tünche“. So ändern sich die Zeiten …

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)