Ein Berliner Junge erlebt die schweren Luftangriffe auf Berlin-Spandau

Spandauer Erinnerungen von Jörg Sonnabend 1942-1945 – Teil 1

Geboren bin ich 1934, als im Kriege die Luftangriffe auf Deutschland und damit auch auf Berlin begannen war ich 8 Jahre alt. Es war also das Jahr 1942. Erlebt habe ich dies alles in Berlin-Spandau, Scharfe Lanke auf der damaligen Lanke Werft.

Spandau, Haveldüne 1941
Spandau, Haveldüne 1941

Meine Mutter arbeitete dort als Buchhalterin und wir hatten auf der Werft eine Werkwohnung. Das wir in unserer relativ ruhigen und grünen Gegend von den Alliierten dermaßen mit Bomben „bepflastert“ wurden ist uns erst nach dem Kriege bewusst geworden.

Meinem Vater, der nach dem Kriege bei den Engländern auf dem Flugplatz Gatow arbeitete, fiel eine Angriffskarte der Royal-Air Force (RAF) in die Hände. Auf dieser Karte war die Lanke Werft als Rüstungsbetrieb markiert. Der Hintergrund hierfür war folgender: die Lanke Werft, der damalige Besitzer hieß Hugo Reinicke, baute für die Kriegsmarine Pinassen und Barkassen und gegen Kriegsende auch noch Sprengboote für die K-Verbände. Dies Alles wurde von den Alliierten als Rüstungsproduktion angesehen.

Ende 1941 fingen die Angriffe relativ harmlos an und wurden von der Bevölkerung quasi als Feuerwerk zur Volksbelustigung angesehen. Zumal der Reichsluftfahrtsminister Herrmann Göring lautstark verkündet hatte, wenn eine feindliche Maschine die Reichshauptstadt erreicht, wolle er „Meyer“ heißen. Da die Realität aber anders verlief, hieß er fortan „Herrmann Meyer“, jedenfalls wurde er nur noch so genannt.

Wie wir aber wissen wurde aus dem „Feuerwerk“ sehr schnell blutiger Ernst, dem ca. 500.000 Deutsche, hauptsächlich Frauen und Kinder zum Opfer fielen. Ende 1941und auch noch Anfang 1942 kamen noch nicht die großen „Bomberverbände“ wie sie genannt wurden, sondern es waren einzelne Maschinen. Diese wurden von der zum Anfang des Krieges noch sehr massiven Flak-Abwehr erfasst und meistens auch abgeschossen.

Zu bemerken wäre hierzu, dass unsere Abwehr hauptsächlich aus der 8,8 Flak (Fliegerabwehrkanone) bestand. Diese „8,8“ war das Standardgeschütz der Wehrmacht, es wurde auch im Erdkampf zur Panzerabwehr eingesetzt. Diese Flak hatte ein sehr hochfrequentes Detonationsgeräusch und war sehr gut von den mehr dumpfen Bombeneinschlägen zu unterscheiden.

Wie bereits erwähnt konnte man zum Anfang des Bombenkrieges dieses Schauspiel noch relativ gefahrlos beobachten. Ich kann mich erinnern, dass ich mit den Männern der Luftschutzwache unser Dach besteigen durfte um das Geschehen am Himmel zu beobachten. Am Himmel, im Schnittpunkt der Scheinwerferstrahlen, sah man silberglänzend ein Flugzeug.

Über die Höhe kann ich nichts sagen, aber aus der heutigen Literatur weiß ich, dass die Angriffshöhe der Bomber immer ca. 3000 m war. Um dieses Flugzeug herum sah man die weißen Wölkchen der detonierenden Flakgranaten. Bis man durch ein helles Aufleuchten erkannte, dass ein Treffer erzielt wurde. Die Scheinwerfer erloschen dann oder suchten sich ein anderes Ziel.

Mit diesem Schauspiel war es aber bald vorbei als die Bomber in größeren Pulks anflogen. Das Spiel der Flakscheinwerfer konnten wir besonders gut beobachten da sich in unserer unmittelbaren Nähe, oben auf der Weinmeisterhöhe, eine Scheinwerferstellung mit 2 Scheinwerfern befand. Zuerst trafen uns die Angriffe überraschend, aber man hatte sich schon ein Gespür angeeignet, die Erwachsenen sagten dann immer: heute kommen sie wieder. Bei besonders hellen Nächten habe ich heute noch, nach ca. 70 Jahren, das „erwartungsvolle“ Kribbeln auf der Haut.

 

Jörg Sonnabend

Ende Teil 1 von 5

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