BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)

Ein kleines Häufchen Bärgida in Spandau

Wirres Sammelsurium an völkisch, nationalistischem Reichsbürgergerede

BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)
BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)

Reichsbürger zu Besuch in Spandau. Der Berliner Ableger der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ auf Stippvisite in Berlins westlichstem Bezirk.

Bärgida spazieren regelmäßig in Berlin Mitte, um sich dem angeblich drohenden Untergang des Abendlandes entgegenzustellen. Nun wollten sie geballt den Spandauern zeigen, wo der Hammer hängt, auch wenn der bei BÄRDIDA auf dem Kopf steht. Gauland sieht in Pegida die natürlichen Verbündeten der AfD.

Spandau freut sich normalerweise über Gäste, die zu Besuch kommen. Diese aber waren einigen offensichtlich nicht willkommen. Am Rathaus Spandau, gegenüber dem Bahnhof Spandau, wartete schon das Begrüßungskommando, ein buntgemixter Haufen engagierter Spandauer, die deutlichen machen wollten, dass „Nazis unerwünscht sind“. Die Gegendemonstration wurde von der Partei Die LINKE angemeldet, beteiligt waren aber viel mehr unterschiedliche Gruppierungen, wie z.B. NoBärgida. Sehr zum Unmut der Gegen-Demonstranten wurden diese von der Polizei auf die Rückseite des Rathauses verwiesen.

BÄRGIDA-Demo Spandau - Gegendemonstranten (Foto: Ralf Salecker)
BÄRGIDA-Demo Spandau – Gegendemonstranten (Foto: Ralf Salecker)

Etwa 35 BÄRGIDA-Anhänger versammelten sich auf dem Rathausvorplatz, um mit ihrer Rede zu beginnen. Mehr als doppelt so viele Polizisten sorgten dafür, dass beide Demonstrationsgruppen sich nicht zu nahe kamen. Manche BÄRGIDA-Gegner zeigten ihren Unmut sehr lautstark. Die Polizei erteilte einige Platzverweise an Personen, die BÄRGIDA akustisch „zu nahe treten“ wollten. Insgesamt trat sie ruhig und besonnen auf. Sie schützte das Recht auf freie Meinungsäußerung, egal, wie verschroben diese Meinung daherkommt. Ignoranz, Dummheit und falsche Tatsachenbehauptungen sind so, wie sie von BÄRGIDA vorgebracht wurden, nicht strafbar.

BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)
BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)

Gab es etwas Neues von den Verteidigern des Abendlandes zu hören? Nicht wirklich! In der Werbung werden Botschaften so lange wiederholt, bis sie nicht mehr aus den Köpfen der Leute zu bekommen sind. Inhalte und Fakten sind da eher nebensächlich. Sie lenken nur ab. Inhaltlich können sie nicht einmal ansatzweise überzeugen. Darum werden die immer gleichen Phrasen auch wie ein Mantra wiederholt.

Wenn von bewusst „gesteuerten Millionenheeren von Flüchtlingen“ die Rede ist, von einer drohenden „Umvolkung“ (Nazi-Vokabular), der von Menschen beeinflusste Klimawandel in Zweifel gezogen, politische Gegner als Volksverräter diffamiert werden, die Nähe zu den Identitären als positiv angesehen wird und von einer angeblichen Übersexualisierung in der Grundschule und angeblichem Genderwahn die Rede ist, was soll man dazu noch sagen, wo doch schon 1000 Mal alles gesagt wurde? Verschwörungstheoretikern ist mit Vernunft kaum beizukommen.

BÄRGIDA hat ihre neue Nationalhymne immer und immer wieder durch den Lautsprecher gedudelt. Das Marionettenlied der Reichsbürger. Einem überzeugten Reichsbürger wird man nicht mit Argumenten kommen können. Fakten interessieren ihn nicht. Historische Realitäten werden so lange verbogen, bis sie passend scheinen.

Ein gewisses Geschmäckle hatte es, als der Demonstrationszug mit seinem rechten Gedankengut ausgerechnet durch die Jüdenstraße marschieren musste.

 

Farbe bekennen mit Fahnensymbolik

BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)
BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)
BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)
BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)

Auffällig war die bunte Mischung an Fahnen, die BÄRGIDA mit sich führte und mehr oder weniger intensiv schwenkte. Fahnen sind deutliche Symbole, sie haben eine Aussage, die jeder erkennen soll, bei der man aber auch zwischen den Zeilen lesen kann.

Klar, die Deutschlandfahne gehört ins Handgepäck jedes dieser Demonstranten. Schade nur, dass diese offensichtlich die Bedeutung der Farben nicht verstehen, für die sie eigentlich stehen – eben nicht für dumpfen völkischen Nationalismus. Interessant sind aber die anderen. Mit der DDR-Flagge, dem Symbol für eine Diktatur, schien hier von BÄRGIDA ein wehmütiger Blick in eine Vergangenheit geworfen zu werden, die bei all denen, die sich über die deutsche Wiedervereinigung freuen, nur ein ungläubiges Kopfschütteln hervorrufen kann.

Über die geschwenkte Russlandfahne (und Putin-Nähe) muss man sich eigentlich nicht mehr wundern, seit BÄRGIDA eine gewisse Klientel unter den Russlanddeutschen für sich entdeckt hat. Die Fakemeldung über das angeblich von einem Flüchtling vergewaltigte russlanddeutsche Mädchen hatte damals für viel Wirbel gesorgt. Neonazis, BÄRGIDA und manch Russlanddeutsche traten damals in trauter Dreisamkeit auf – unterstützt vom russischen Staat. In den nächsten Tagen wird dieser Fall vor Gericht verhandelt.

Da passt der ziemlich müde vorgebrachte Klassiker „Lügenpresse“ von BÄRGIDA wie die Faust aufs Auge. Selbst für sie scheint die Parole inzwischen mehr als abgenutzt. Wie sonst ist der auffällig fehlende Elan der Retter zu erklären? Schon vergessen? „Lügenpresse“ war das Unwort des Jahres 2014, ein Jahr nach „Sozialtourismus“ und eins vor „Gutmensch“.

BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)
BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)

In der Begründung der Jury hieß es damals u.a.: „Das Wort „Lügenpresse“ war bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff und diente auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien. … Eine solche pauschale Verurteilung verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit, deren akute Bedrohung durch Extremismus gerade in diesen Tagen unübersehbar geworden ist.“

Natürlich sind nicht alle PEGIDA-Anhänger Nazis. Solch ein Schubladendenken würde einem vergleichbaren Argumentationsmuster folgen, wie es die PEGIDA-Anhänger tun. Die Teilnehmer machen sich die Begriffe und deren Inhalte zu eigen, weil sie mitgehen, die gleichen Parolen skandieren und nicht den Hauch von Nachdenklichkeit zeigen.

BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)
BÄRGIDA-Demo Spandau (Foto: Ralf Salecker)

Zwei weitere Fahnen sollten sehr nachdenklich machen, zeigen sie doch, wessen Geistes Kind ein großer Teil der Demonstranten ist. Gegen die Schwarz-Weiß-Rote Reichsflagge wäre erst einmal nichts auszusetzen. Aber, diese Flagge war zu Beginn der Weimarer Republik, als diese die Farben Schwarz, Rot, Gold für sich wählte, ein Erkennungszeichen rechter und/oder reaktionärer Organisationen. Auch heute ist dies der Fall. Wenn BÄRGIDA dann daneben noch eine Fahne mit einen eisernen Kreuz schwenkt, dann liegt der Gedanke an die Reichskriegsflagge der Nationalsozialisten auf der Hand. In dieser waren Schwarz-Weiß-Rot und eisernes Kreuz vereint. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Wie kann nun in diesem Zusammenhang die Staatsflagge des Königreichs Preußen interpretiert werden, die je nach Standpunkt, für sehr unterschiedlich Positionen Preußens stehen kann, die scheinbar nicht zusammen passen: Auf der einen Seite sind es Militarismus und ausgeprägtes Untertanentum, auf der anderen Seite Bildung, Ehrlichkeit, Fleiß, Freiheit und vor allem Toleranz. Zu Ehrlichkeit passt das gerade beginnende Verfahren, mit dem die Immunität von Frauke Petry – wegen Meineides – aufgehoben werden soll. Friedrich II. gewährte in Preußen Religionsfreiheit – „Die Religionen Müßen alle Tolleriret werden … Jeder soll nach seiner Façon selig werden.“ Preußen nahm z.B. unzählige Religionsflüchtlinge aus Frankreich und Österreich auf.

 

Manch einer bemängelte, es wären nicht genügend Spandauer vor Ort gewesen, um für Vielfalt und Toleranz einzustehen. Andererseits war es eine vielfache Anzahl, im Verglich zu den wenigen nicht willkommenen Besuchern aus Mitte. Es war ausreichend. Sie wollen wiederkommen, haben sie angekündigt. Sollen sie doch … sie sind schließlich nicht „Das Volk“.

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)