Dynamik Pricing

Kein gleicher Online-Preis für alle!

Dynamic Pricing und mobile Geräte

Dynamik Pricing
Dynamik Pricing

Haben Sie Ihre Weihnachtsgeschenke zu teuer eingekauft? Dann können Sie jetzt wenigstens bei den Geldgeschenken ein paar Fallen umgehen. Die Zeiten, in denen man Preise sicher vergleichen konnte, sind endgültig vorbei! Die Mobilität hat ihren Preis. Verkaufspreise in Onlineshops verändern sich in unregelmäßigen Abständen. „Vor allem zwischen acht und zwölf Uhr am Vormittag und abends ab zwanzig Uhr schwankten die Preise besonders häufig“, so die Erkenntnisse der Sendung Marktcheck des SWR.

Algorithmen berechnen, in Abhängigkeit von saisonalen und tageszeitlichen Gegebenheiten einen aktuellen Preis. Neudeutsch nennt man dies „Dynamic Pricing“. Diese tägliche Anpassung der Preise bestätigte im November auch Ralf Kleber, der Chef von Amazon Deutschland. Ein Dienstleister in diesem Bereich argumentiert wie folgt: „Der Schlüssel bei der Preisgestaltung ist der Preis, den der Kunde bereit ist zu zahlen“ – und der hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Das Weihnachtsgeschäft war und ist einer der größten Umsatzbringer. Der schnelle Kauf kurz vor dem Fest, am besten noch online, sorgt für übereilte Einkäufe – ohne längere Preisvergleiche.

So änderte sich z.B. der Preis für ein iPhone 6 auf Amazon innerhalb einer Stunde um 100 Euro. Eine Preismonitoring-Firma stellte am Beispiel einer Nikon D610 sogar Preisunterschiede von fast 1000 Euro für die Kamera fest. Viele Dinge schiebt man gerne auf das Wetter. Beim Online-Kauf gibt es eindeutige Zusammenhänge. Witterung und Temperatur beeinflussen eindeutig den Preis. Nun scheint aber zusätzlich die Wahl des Surf-Mediums über den Preis zu entscheiden. Mobile Nutzer zahlen mehr als andere.

Die Zeiten, in denen der Kunde quasi anonym einkaufen konnte, sind Vergangenheit. Wer im Internet einkauft, sei es per Smartphone, Tablet oder Computer, hinterlässt eindeutige Daten-Spuren. Das Surf- und Kaufverhalten wird umfassend durchleuchtet. Niemandem wird entgangen sein, dass die eingeblendete Werbung im Browser auf das eigene Such- und Kaufverhalten abgestimmt erscheint. Cookies und andere kleine Helferlein sorgen für eine lückenlose Überwachung der Online-Käufer – auch über viele Internetseiten hinweg. So kann es durchaus sein, dass alleine der häufige Besuch einer Internetseite, den Preis für ein Produkt in die Höhe treibt.

Du bist, womit du surfst

Die Preisgestaltung von Produkten im Onlinekauf richtet sich anscheinend auch nach dem Medium, mit dem Mann oder Frau ins Internet gehen. Möglicherweise macht es einen Unterschied, ob sie mit einem Apple-Gerät unterwegs sind oder einem Android-Gerät. Amazon wurde eine solche „dynamische“ Preisgestaltung im letzten Jahr vorgeworfen, das Unternehmen bestreitet aber vehement, entsprechend gehandelt zu haben. Eine Überprüfung ist schwierig, weil sich Preise im Onlinehandel durchaus mehrfach täglich ändern können. Bei manchen Produkten wurden 275 Preisänderungen innerhalb von drei Tagen festgestellt.

Die Sendung Marktcheck des SWR untersuchte Ende 2015 die „Preistricks zu Lasten der Kunden“. Dabei ergab sich ein direkter Zusammenhang, wann und mit welchem Gerät ein Onlineshop besucht wurde.

Ein direkter Vergleich ergab eindeutige Preisunterschiede. Das gleiche Produkt wurde zur gleichen Uhrzeit mit einem unterschiedlichen Preis angezeigt. Der Kunde mit dem stationären PC hätte das Produkt günstiger erwerben können, als der mit dem iPhone.

Solche Preisunterschiede finden sich nicht nur bei Amazon, sondern ebenso bei anderen Onlineanbietern. Bei Amazon dürften die dynamischen Preisanpassungen nur deutlich individueller ausfallen.

Zahlen Apple-Nutzer mehr?

Inzwischen verdichten sich immer mehr die Anzeichen, dass die vermeintliche Finanzkraft eines Kunden Einfluss auf die Preisgestaltung hat. Gehören Sie zu den Besserverdienenden oder denen, den ein aktiveres Onlinekaufverhalten unterstellt wird? Dann müssen Sie möglicherweise mehr bezahlen als andere, die weniger verdienen oder weniger internetaffin sind. Wer Mobil unterwegs ist, muss mit anderen Preisen rechnen, als diejenigen, die mit einem stationären Computer surfen. Ein iPhone-Nutzer kann möglicherweise mit einem zusätzlichen Preisaufschlag rechnen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät sogar davon ab, Onlinekäufe über Mobilgeräte abzuwickeln. Es kann sich also lohnen, bei geplanten Onlinekäufen, den heimischen Windows-Computer einzusetzen.

Mögliche Kreditwürdigkeit als Entscheidungskriterium

Die Folgen einer undurchsichtigen pauschalen Einstufung der Kreditwürdigkeit konnten potenzielle Käufer des Öfteren am eigenen Leibe erfahren. Ein Kauf auf Kredit wurde aus unerfindlichen Gründen abgelehnt. Woran lag das? Die Kreditwürdigkeit eines Kunden wird in einem völlig intransparenten Verfahren ermittelt. Unzählige Daten werden dabei herangezogen. Das können durchaus falsche Daten sein, oder solche, die mit dem Kunden selbst nichts zu tun haben. Dienstleister wie die Schufa und ähnliche Anbieter entscheiden darüber wie eine Schicksalsgöttin. Der Kunde muss scheinbar mit diesem Urteil leben. Das trifft auch Menschen, die noch nie einen Kredit aufgenommen haben und selbst gut verdienen. Da genügt es z.B., in einer Gegend zu wohnen, in der viele Menschen leben, die ihre Kredite nicht bedienen können oder gar zu viele Schulden angehäuft haben. Man könnte solch eine Einteilung als Sippenhaft verstehen.

Lohnen Preisvergleichsportale?

Die Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden. Nicht immer sind die angezeigten Preise aktuell. Der Hinweis darauf wird gerne überlesen. Anscheinend haben auch diese Portale ihre Vorlieben. Der Vergleich zwischen den Portalen kann deutliche Preisunterschiede zu Tage fördern. Am Schluss kann es dann sogar so sein, dass der Fachhändler um die Ecke günstiger oder wenigsten ebenso teuer ist wie der Online-Händler. Hat ein Händler des Vertrauens ein Ladengeschäft und einen Onlineshop, können dort merkbare Preisdifferenzen anfallen. Diese sind durch eine unterschiedliche Kalkulation leicht zu erklären. Während das hoffentlich gut bezahlte Fachpersonal im Laden eine umfassende Beratung bieten kann, wird im Versandlager nur verpackt und verschickt. Hier arbeitet dann Personal, welches möglicherweise gerade einmal den Mindestlohn bekommt.

Eingeblendete Werbung auf den Internetseiten ist für viele ein lästiges Ärgernis. Vor allem dann, wenn der eigentliche Inhalt vor lauter Werbung nicht mehr erkennbar ist. Entsprechend genervte Kunden klicken immer seltener auf derartige Banner. Trotzdem nimmt deren Anzahl stetig zu. Es kann aber durchaus sinnvoll sein, über ein Werbebanner oder die eingeblendete Werbung bei den Google-Suchergebnissen zu dem Produkt seiner Wahl zu gelangen. Untersuchungen ergaben in einigen Fällen merkbare Preisunterschiede. Der Klick auf die Werbung wurde mit einem günstigeren Preis belohnt.

Der WDR stellte bei seinen Untersuchungen fest, dass u.U. der Einsatz einer speziellen App von Vorteil sein kann. Die kleinen Helferlein von Buchungs- oder Verkaufsportalen für das Smartphone ermöglichten in einigen Fällen erheblich günstigere Buchungspreise. Verallgemeinern sollte man eine solche Feststellung nicht. Es kann auch genau umgekehrt sein …

Ein mündiger Kunde ist gefragt. Nicht das erstbeste Angebot ist auch das Richtige. Wer vorschnell und unüberlegt einkauft, zahlt immer drauf.

Wie mache ich den Verfolgern das Leben schwerer?

Vollständig kann eine Überwachung nicht mehr verhindert werden. War es noch bis in die jüngste Vergangenheit ein guter Rat, regelmäßig alle Surfspuren zu löschen. Funktioniert dies heute nur noch teilweise. Neben den klassischen Text-Cookies, die sich leicht entfernen lassen, haben sich längst sog. Super-Cookies eingenistet, die schwieriger zu beseitigen sind. Browser-Erweiterungen durch Plugins können nicht nur Cookies kurz nach ihrer Erstellung löschen, sondern auch den Browserverlauf nach dem Schließen des Programms. Banner-Blocker und „Tarn-Schilde“ sollen den Nutzer anonymisieren. Inzwischen nutzen immer mehr Internetseiten Funktionen, die einen eindeutigen Fingerabdruck des Surfers ermöglichen – ohne den Einsatz klassischer Cookies. Ein Katz-und-Maus-Spiel ist im Gange zwischen Anbietern von Schutzsoftware und denen, die den absolut gläsernen Kunden wünschen.

Der Einsatz einer Kombination unterschiedlicher Schutzmechanismen lohnt sich bisher noch in den meisten Fällen. Immer häufiger kommt es vor, dass einige Internetseiten nicht mehr nutzbar oder besuchbar sind, wenn Schutzsoftware aktiviert ist.

Zu guter Letzt

Wer nun meint, im Geschäft sicher vor Preisschwankungen zu sein, der irrt gewaltig. Immer mehr Händler werden in Zukunft digitale Preisanzeigen an den Regalen haben. Einerseits bedeuten diese eine Arbeitserleichterung, schließlich muss nicht jede Preisauszeichnung händisch vorgenommen werden. Andererseits muss man nicht Kassandra sein, um vorherzusagen, dass die Dynamisierung der Preise auch dort Einzug halten wird.

Manche nennen es gerne Abzocke. Verboten ist eine dynamische Preisgestaltung jedoch nicht. Es könnte durchaus ein Imageproblem daraus erwachsen, wenn die Ungleichbehandlung von Kunden immer offenkundiger wird. Der NRW-Verbraucherschutzminister wollte in der Vergangenheit diese Form der Preisgestaltung auf die Tagesordnung der nächsten Verbraucherschutzministerkonferenz setzen. Ob es mehr war als ein kalkulierter medienwirksamer Aufreger, steht in den Sternen. Auch die EU-Kommission will sich angeblich damit beschäftigen.

Dynamic Pricing wird uns in Zukunft immer stärker begleiten. Spannend wird es nur, wenn es auch in Ladengeschäften Einzug hält. Was ist, wenn der Preis an der Kasse nicht mehr mit dem übereinstimmt, der kurz zuvor noch am Regal zu sehen war?

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)