Tatort Spandau – Insel Eiswerder
Mit dem Titel ist zur besten Urlaubszeit ein neuer Berlin-Reiseführer auf den Büchertischen gelandet. Doch halt, nicht gleich die Augen verdrehen! Oder angesichts der vielen Regalmeter Berlin-Literatur die Nerven verlieren. Denn dieses Buch betreibt Tourismusförderung der ganz besonderen Art. Sightseeing-Listen zum Abhaken sucht man darin vergeblich. Vielmehr sind es sehr subjektive Betrachtungsweisen, die die beschriebenen Kieze beleuchten: Achtzehn Autoren führen uns zu achtzehn Verbrechen quer durch Berlin. Dass die meisten dieser Delikte nie geschehen sind, sondern allein schriftstellerischer Schaffenskraft entspringen, tut der Sache keinen Abbruch. Die beschriebenen Orte sind sehr real. Und die Untaten könnten alle so geschehen sein – und zwar genau so! Handskizzen helfen den interessierten Lesern bei der Tatortsuche.
Das kriminelle Berlin als Sommerleselektüre
Die Geschichten stammen zum großen Teil aus der Autorinnenvereinigung der „Mörderischen Schwestern Berlin‟. Aber auch andere zu den üblichen Verdächtigen zählende Verfasser wie zum Beispiel Thomas R.P. Mielke, Stefan Hähnel oder Horst Bosetzky (-ky) finden sich unter den (Schreibtisch-)Tätern.
Letzterer hat in Friedenau „Eine Rechnung ohne den Würth“ gemacht. In „Do Swidanija Charlottengrad!“ von Martina Arnold klingen russische Töne durch. Gisela Witte ist mit ihrem Hund „Jacky“ in Schöneberg kriminell unterwegs, während Heidi Ramlow „Altes Eisen“ auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee sammelt. Gleich drei Autorinnen beschreiben Orte in Friedrichshain: Angela Temming genießt „Die Ruhe von Stralau“, Swenja Karsten findet „Weit kann’s sein nach Friedrichshain“ und die Herausgeberin Petra Tessendorf sucht offensichtlich zwischen Gribnitzseee und Friedrichhain eine neue Bleibe. „Sechs Zimmer, Küche, Diele, Tod“ heißt ihr Kurzkrimi. Der Wahl-Spandauer Thomas R.P. Mielke taucht mit „Ausgebremst“ im Literarischen Colloquium ziemlich rasant in seiner alten Heimat Wannsee ein. Der Bezirk Spandau natürlich auch vertreten. „Schrei, wenn du kannst“ von Astrid Ann Jabusch erzählt von einem Mord unter Filmschaffenden auf der Insel Eiswerder.
Als weitere Täter schreiben D. C. Chill, Andrea Gerecke, Kristina Herzog, Ute Kissling, Siegfried Langer, Regine Röder, Connie Roters, und Andreas M. Sturm über Untaten am Gesundbrunnen, im Tegel, am Alexanderplatz, auf dem Prenzlauer Berg, am Potsdamer Platz, in Britz, in Alt-Treptow, am Baumschulenweg und in Kreuzberg.
Zu erwerben ist diese Ansammlung schrecklicher und dabei auch noch amüsant zu lesender Berliner Verbrechen in jeder Buchhandlung Ihrer Wahl.
Schrei, wenn du kannst
Exklusiv für Spandauer eine Leseprobe:
Astrid Ann Jabusch
Die untergehende Sonne tauchte das Ufer des Eiswerders in goldenes Abendlicht. Noch immer hing der süßliche Duft der blühenden Robinien schwer in der Luft. Ein paar Blesshühner nutzten die Bugwellen der MS Schildhorn und ritten aus purer Lebensfreude auf den immer größer werdenden Wogen. Die schwappten weiter und spielten mit einer leeren Coladose, bevor sie mit freundlichem Platschen die Insel erreichten.
Sonnenhungrige lagen mehr oder weniger bekleidet auf der Wiese und ließen sich von den letzten Sonnenstrahlen wärmen oder sahen einfach dem späten Tanz der Hummeln zu. Ein paar Mutige badeten schon im Fluss. Ausflugsschiffchen tuckerten der Schleuse auf der Westseite der mittelalterlichen Zitadelle entgegen, und einige Passagiere winkten fröhlich zur Insel hinüber, als hätten sie dort lang vermisste Freunde entdeckt. Andere kommentierten wenig originell aber lautstark die teils blanken Busen, Schenkel und Hintern, als seien sie zur Fleischbeschau geladen worden.
Auch die MS Heiterkeit zog an der Insel vorbei. Friedliches Geschirrgeklapper klang vom Dampfer über das Wasser. Doch bald gellten schon wieder anzügliche Pfiffe herüber.
Jette Holzmann drehte den Touristen ihren Rücken zu, zog die Jeans herunter und quittierte das aufkommende Gegröle mit gekonntem Hinternwackeln. Augenblicklich traten bunt geblümten Gattinnen in Aktion, die aufgeregt schwäbelnd ihre Männer von der Reling wegzerrten.
…
Bei den Tätern, von denen zwei im Falkenhagener Feld leben, handelt es sich um:
- Martina Arnold
- Horst Bosetzky(-ky)
- D.C. Chill
- Andrea Gerecke
- Stephan Hähnel
- Kristina Herzog
- Astrid Ann Jabusch
- Swenja Karsten
- Ute Kissling
- Siegfried Langer
- TRP Mielke
- Heidi Ramlow
- Regine Röder
- Connie Roters
- Andreas M. Sturm
- Angela Temming
- Petra Tessendorf
- Gisela Witte
Mehr von Jette und ihrer Geschichte in
- Krimineller Reiseführer Berlin
- Hrsg. Petra Tessendorf
- Windspiel Verlag, Scharbeutz, Juli 2014
- ISBN 978-3-944399-19-5, 256 Seiten, 12,90 Euro