20 Jahre Klang-Holz e.V. auf der Zitadelle Spandau

Musikinstrumente bauen und mehr im Klang-Holz e.V. auf der Zitadelle Spandau

Altes Handwerk und handgemachte Musik

Musikinstrumente (Drehleier, Harfe, Chrotta, Lyra-Gitarre) des Klang-Holz e.V. (Foto: Ralf Salecker)
Musikinstrumente (Drehleier, Harfe, Chrotta, Lyra-Gitarre) des Klang-Holz e.V. (Foto: Ralf Salecker)

Wenn von der  Zitadelle gesprochen wird, denken die einen an ein altes Bauwerk und die anderen an große Konzerte, Mittelalter-Veranstaltungen, das Lichterfest oder die große Skulpturenausstellung, „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“, die es seit längerer Zeit gibt. Dabei wird das Haus IV gerne links liegen gelassen.

Kein Wunder, die Fassade wirkt nicht gerade einladend. Es ist das hässlichste Haus vor Ort. Vielen bleibt so verborgen, dass hier ein kulturelles Zentrum mit einer Vielzahl von Künstlern, Kunsthandwerkern existiert. Ein Puppentheater, eine Glasgravurwerkstatt und die Musikinstrumenten-Werkstatt Klang-Holz locken schon seit vielen Jahren ein begeistertes Publikum an.

Musikinstrumente bauen und spielen auf der Zitadelle

Eine Musikinstrumentenwerkstatt hat hier ihren Sitz, die vor vielen Jahren zu den kulturellen „Erstbesiedlern“ in diesen alten Mauern gehörte. Früher suchten die Polizei-Feuerwerker auf der Zitadelle nach Spuren von Kampfmitteln aus dem 2. Weltkrieg. Der damalige Kunstamtsleiter Gerd Steinmüller holte 1992 Norbert Dobisch, den Gründer der Werkstatt, hierher, um mit dieser friedlichen Nutzung des militärischen Gemäuers ein neues Nutzungskonzept zu beginnen. Kunst- und Kunsthandwerk sollten zukünftig das Geschehen vor Ort bestimmen, auch wenn die Großkonzerte dies heute manchmal vergessen lassen. Die kulturellen „Nutzer“ sind das ganze Jahr vor Ort, Konzerte gibt es nur in einem saisonalen Abschnitt.

Im Erdgeschoss hat der 1996 aus der Musikinstrumentenwerkstatt hervorgegangene Verein Klang-Holz seinen Sitz. Schon, wenn man die halbe Treppe empor steigt, wird man auf die Werkstatt eingestimmt. Schablonen für seltsame Musikinstrumente schmücken die Wand. Noch beeindruckender wird es im nachfolgenden Flur. Viele Vitrinen dokumentieren das bunte Spektrum des Vereins. Die Baugeschichte von Lyra und Chrotta, quer durch die Jahrtausende wird hier dokumentiert. Musikinstrumente bauen und spielen ist das Motto. Dies wird klar, auch ohne mit jemanden gesprochen zu haben.

Die Chrotta in unterschiedlichen Varianten (Foto: Ralf Salecker)
Die Chrotta in unterschiedlichen Varianten (Foto: Ralf Salecker)

Es gibt keine unmusikalischen Menschen

Musikunterricht und Werkunterricht sind heute leider oft stiefmütterlich behandelte Fächer an Schulen. Beide führen ein Schattendasein, fallen mangels Personal oder geeigneter Materialien aus oder werden aus „pragmatischen“ Gründen zu bloßem theoretischen Unterricht. Die Sinnlichkeit des Lernens geht dabei vollständig verloren. Welcher Lehrer hat noch Lust, vor dem Unterricht einen ganzen Klassensatz Saiteninstrumente zu stimmen? Frühe Versuche, die Neugier wecken könnten und handwerkliche oder musikalische Fertigkeiten schulen, bleiben aus. Besonders prägend für die spätere Einstellung zur selbstgemachten Musik, sind Bemerkungen von lustlosen Lehrern, die Kinder schnell zu unmusikalischen Menschen erklären, weil sie nicht in der Lage sind, Freude an der Musik zu vermitteln.

Lyra-Gitarren (Foto: Ralf Salecker)
Lyra-Gitarren (Foto: Ralf Salecker)

Der Verein Klang-Holz e. V. füllt seit Jahren diese Lücke, indem er Angebote schafft, die in großer Zahl von Kindergärten und Schulen genutzt werden. Jahr für Jahr kommen rund 1200 Kinder in die Werkstatt um selbst einfache Musikinstrumente zu bauen oder zu spielen. Der frühe sinnliche Zugang in jungen Jahren zur Musik ist viel Angstfreier und entspannter, als wenn ein Erwachsener später versucht, seinen alten heimlichen Traum zu erfüllen oder aber gegen alte Lehreraussagen ankämpft, „Du bist eh nicht musikalisch!“. Dabei gibt es (fast) keine unmusikalischen Menschen! Das sagte schon der Gründer der Instrumentenwerkstatt, Norbert Dobisch, immer wieder.

1996 gründete sich der Klang-Holz e.V. aus dem Freundeskreis der Werkstatt Klangholz, die seit 1992 von Norbert Dobisch auf der Zitadelle Spandau betrieben wurde. Der Klang-Holz e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und freier Träger der Jugendhilfe: „Jeder kann hier sein eigenes Instrument bauen und spielen. Besonders wichtig sind uns Kinder und Jugendliche, die mit ihren Klassen, Kindergartengruppen, Freunden und Familien zu uns kommen können“, erzählt Nadya Dittmar, die Geschäftsführerin des Klang-Holz e.V.. Zusätzlich arbeitet der Verein alte und beschädigte Musikinstrumente auf und spendet oder verleiht sie an Schulen und Kindergärten, die sich aufgrund klammer Kassen solche nie leisten könnten. 2016 wurde im Gotischen Saal das 20jährige Vereinsjubiläum gefeiert.

Möglich wird diese Arbeit einmal durch die umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeit der Vereinsmitglieder. Ein weiterer wichtiger Baustein sind die MAE-Maßnahmen, also vom Jobcenter geförderte Projekte zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Bis zu 20 sog. 1-Euro-Jobber haben hier immer wieder die Gelegenheit neben dem Training einer regelmäßigen Tätigkeit, dem eigenen Bedürfnis nach einer sinnvollen Tätigkeit nachzukommen. Im Gegensatz zu vielen Unterstellungen sind die MAE-Mitarbeiter hoch motiviert. Im Laufe ihrer Tätigkeit wachsen Selbstbewusstsein in die eigenen Fertigkeiten und werden sprachliche Defizite durch aktives Training in Angriff genommen.

Als der Spandaus Bürgermeister Helmut Kleebank den Verein einmal besuchte, meinte er: „Das Projekt ist zum einen sehr eindrucksvoll und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in unserem Bezirk halte ich für sehr wichtig, vor allem um frühzeitig ihre Interessen und Neigungen zu fördern. Zum anderen dient das vom Jobcenter Spandau geförderte Projekt den dort Beschäftigten der beruflichen Wiedereingliederung in die Arbeitswelt. Das zeigt mir, dass das Geld genau an der richtigen Stelle investiert wird.“

Musikinstrumente selbst bauen und spielen

Zitadelle Spandau, zweiarmige Chrotta, Musikinstrument des Klang-Holz e.V. (Foto: Ralf Salecker)
Zitadelle Spandau, zweiarmige Chrotta, Musikinstrument des Klang-Holz e.V. (Foto: Ralf Salecker)

Heutzutage wird ja lieber gekauft, als selbst gemacht. Schnell konsumiert und ebenso weggeworfen! Nicht so in der Musikinstrumenten-Werkstatt. Besucher aus aller Welt sind immer wieder erstaunt, wenn sie die Räume des Klang-Holz e.V. das erste Mal betreten. Fremdartige Musikinstrumente, der Duft von Holz und die Möglichkeit, einen Blick auf die Entstehung von Musikinstrumenten zu werfen, wecken schnell den Wunsch, dies auch selbst zu tun. Im Klang-Holz ist die kein Problem. Hier werden keine Instrumente verkauft! Wer eines haben möchte, muss selbst anpacken – es selbst bauen. In erster Reaktion reagieren manche etwas verschreckt: „Mit meinen zwei linken Händen gelingt mir das nie …“.

Bisher hat hier noch jeder SEIN Musikinstrument fertig bekommen. Niemand wird in der Werkstatt alleine gelassen. Jeder gibt seine Erfahrung gerne an andere weiter. Anderswo gibt es Bauworkshops, die nach festgelegter Zeit beendet sein müssen. In der Werkstatt Klang-Holz kann jeder sein Tempo selbst bestimmen. Die gemütliche Atmosphäre kann dazu führen, dass die Fertigstellung des Musikinstrumentes mehr Zeit in Anspruch nimmt, als geplant. Während in der Werkstatt gehobelt und gesägt wird, erklingt im Nachbarraum die Musik von einer der vielen Musikgruppen, die es dort inzwischen gibt. Viele bleiben auch später dem Verein erhalten, nachdem sie ihr fertiges Musikinstrument in den Händen halten.

Ein Besuch auf der Zitadelle, im Haus IV lohnt sich in jedem Fall. Wer einmal einen Fuß in die Werkstatt gesetzt hat, kommt ganz bestimmt auch wieder. Neben den Baukursen füllt sich der Musikraum immer wieder mit Besuchern, die eines der vielen kleinen handgemachten Konzerte in intimer Atmosphäre zu schätzen wissen. An jedem ersten Samstag im Monat lädt das KlangHolz-Café zum Mitmachen und Lauschen ein. Wer einfach mal ein Musikinstrument in die Hand nehmen möchte, um mit anderen Musik zu machen oder etwas auszuprobieren – der ist hier richtig…

Klang-Holz e. V.

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)