Spandaus misslungene Bürgermeisterwahl – Die Piraten sind an allem schuld …

Demokratie ist, wenn man trotzdem lacht

Stephan Machulik und Helmut Kleebank (Bürgermeisterkandidat), zwei Spandauer Stadträte in spe
Stephan Machulik und Helmut Kleebank (Bürgermeisterkandidat), zwei Spandauer Stadträte in spe
BVV Spandau nach Auszug von SPD, GAL und LINKE
BVV Spandau nach Auszug von SPD, GAL und LINKE

Der klägliche Versuch einer Bürgermeisterwahl in Spandau. Es war schon immer etwas besonderes, ein Spandauer zu sein. Ob man dies noch so stehen lassen kann, darf aus den unterschiedlichsten Gründen bezweifelt werden. In den nächsten Tagen wird es mehr als genug Häme geben, über die Art und Weise, wie in Spandau Politik gemacht wird.

Kinder erzieht man theoretisch dazu, sich konstruktiv zu verhalten. Bockigkeit wird nur bei den Kleinsten geduldet. Im höheren Alter ist es eher ein Zeichen von mangelndem Selbstbewusstsein – oder fehlender innerer Reife.

Wie wir alle wissen, standen einmal zwei Kandidaten zur Wahl, Carsten Röding von der CDU, bisher Stadtrat für die Abteilung Bauen, Planen und Umweltschutz und Helmut Kleebank, Leiter der Heinrich-Böll-Oberschule in Hakenfelde. Ganz zu Beginn des Wahlkampfes schien alles klar. Carsten Röding wird in jedem Fall der Wahlsieger sein. Im Laufe des Wahlkampfes rückte der SPD-Kandidat immer weiter auf.

Noch einmal zur Erinnerung. Die Wahlen in Spandau erbrachten ein unerwartetes Ergebnis:

Die CDU erzielte 36,7 % der Stimmen und errang damit 23 Sitze in der Bezirksverordnetenversammlung. Die SPD brachte es auf 34,7 und damit 21 Sitze. Dazu kamen die GAL mit 6 Sitzen, die Piraten mit 3 und die LINKE 1 Sitz. Theoretisch wären die Piraten auf 4 Sitze gekommen. Da die Piraten nur drei Kandidaten zur Wahl aufgestellt hatten, verfiel der eine Sitz. Die BVV bestand somit nicht aus 55, sondern nur 54 Verordneten, ein Umstand der sich sehr hinderlich erweisen sollte. Die CDU hat als Mehrheitsfraktion Anspruch auf 3 Stadtratsposten im Bezirksamt, die SPD auf 2 Stadtratsposten (inklusive Bürgermeister). Die CDU hatte in den letzten beiden Wahlen kontinuierlich Stimmen verloren, während die SPD Stimmengewinne verzeichnen konnte.

In der bisherigen Praxis stellte die stärkste Fraktion den Bezirksbürgermeister. Da die Zählgemeinschaftspartner der CDU, nämlich Panther und FDP der BVV nicht mehr angehören, ergab sich ein schwieriges Stimmenverhältnis.

Die SPD nutzte die Möglichkeit, mit der GAL eine Zählgemeinschaft zu bilden.

Zusammen stellen sie somit 27 der 54 Stimmen. Sie verfügten so über keine Mehrheit. Die war aber durch die Zusage der Piraten (siehe auch „Konstituierende Sitzung der Piraten in Spandau“)und des Verordneten der LINKEN gegeben. Insgesamt kämen so 31 Stimmen zusammen, mehr als ausreichend, um bei einer einfachen Mehrheitswahl den eigenen Kandidaten Helmut Kleebank durchzusetzen.

Am Donnerstag, den 27. Oktober sollte es soweit sein. Mahnende Worte der Alterspräsidentin an die zukünftige Arbeit der Bezirksverordneten in Spandau forderten sachliche Auseinandersetzungen, Ehrlichkeit, Fairness, Zuhören, gegenseitigen Respekt. Sie stellte besonders die Vorbildfunktion der Politiker in den Vordergrund.

All dies war nach zwei Wahldurchgängen hinfällig. Im 1. wie auch 2. Wahldurchgang stimmten 27 Mitglieder der BVV für Helmut Kleebank als nächsten Spandauer Bürgermeister und 27 dagegen. Die CDU hatte gleich zu Beginn klargestellt, konsequent mit Nein zu stimmen. Vier Gegenstimmen müssen also aus dem Lager der Zählgemeinschaft gekommen sein, vor allem, wenn man davon ausgeht, dass Piraten und der Verordnete der LINKEN für den SPD-Kandidaten gestimmt haben.

Schon nach dem 1. Wahldurchgang war die Unruhe groß. Alle versuchten gute Mine zum bösen Spiel zu machen.

Schnell kursierten Gerüchte, wer die Abweichler sein sollten. Angeblich die SPD-Verordneten, die vormals wichtige Positionen – entweder im Bezirksamt oder der Fraktion – inne hatten. In den zweiten Wahldurchgang ging man trotzdem noch recht entspannt, weil dies wohl eher ein „Zeichen, ein bockiges Aufbegehren“ verstanden wurde.

Der zweite Wahldurchgang mit dem selben Ergebnis machte klar, die Abweichler wollten mehr, als ein Muskelspiel. Ihnen ging es nicht nur darum, Helmut Kleebank als Kandidaten zu beschädigen, sie wollten sich angeblich für die erlittene „Schmach“ rächen. Sind die Politiker wirklich so kleine Geister? Traurig, wenn es wahr sein sollte.

Die SPD bat um Unterbrechung der Sitzung. Ein 3. Wahldurchgang am selben Tag erschien zu gefährlich, darum auch die Absicht, diesen auf den 2. November zu vertagen. Zweimal kann man durchfallen, das ist zu verkraften, auch wenn es ein äußerst unschöner Start ist. Schließlich sind nicht nur wegen der bestehenden Mehrheitsverhältnisse schwierige 5 Jahre zu erwarten. Der „Wettstreit der Ideen“, wie er so schön in einleitenden reden proklamiert wurde, findet nun nicht nur in der Auseinandersetzung mit der CDU, sondern innerhalb der eigenen Reihen statt.

Theoretisch hätte man die Wahlarie endlos bis zum Sanktnimmerleinstag durchführen können. Das Rote Kreuz hätte derweil Klappbetten verteilt und die Bundeswehr Notrationen vorbei gebracht, um die Verordneten bei Kräften zu halten. Von der Pressebank ganz zu schweigen.

Die Landeswahlordnung regelt das Problem nicht. Eine Lösung scheint nicht in Sicht zu sein. Wenn es nach der CDU geht, wird die Wahl weiter durchgeführt. Die SPD möchte lieber eine Vertagung auf den 2. November, nicht nur, um die Wunden zu lecken, sondern, um über die verfahrene Situation zu beraten – und um auf die Abweichler einzuwirken.

Die SPD wollte eine offene Abstimmung über die Vertagung der BVV-Sitzung durchführen, die CDU beharrte auf einer geheimen Wahl. Angeblich sieht die Geschäftsordnung nur eine offene Wahl vor. Die SPD sieht sich mit ihrer Forderung im Recht. Andererseits ist es doch allgemein üblich, wenn auch nur eine Stimme eine geheime Wahl wünscht, dies auch so durchgeführt wird – vor allem, um die Unabhängigkeit der politischen Willensbildung sicher zu stellen. Der psychologische Druck bei einer offenen Wahl ist ungleich größer.

Der Ältestenrat konnte auch keine wirkliche Lösung des Problems präsentieren. Die Fraktion der SPD und mit ihr die Schwester in der Zählgemeinschaft, die GAL beschlossen, geschlossen den Sitzungssaal zu verlassen – so stellt man die Beschlussunfähigkeit in der BVV her. Nun hat ganz offensichtlich nicht jedes Mitglied er Zählgemeinschaft den Auszug aus der BVV mitgetragen. Die Fraktionsdisziplin war anscheinend wichtiger. Da mussten einige große Kröten schlucken …

Das muss man sich einmal vor Augen führen. Weil eine Situation nicht so läuft, wie gewünscht, dreht man der Situation den Rücken zu. Ein dritter Wahldurchgang schien zu gefährlich, eine offene Wahl ebenso. Das Verhalten erinnert mich an kleine Kinder, frei nach dem Motto: „Ich spiele jetzt nicht mehr mit Dir!“ Es hätte ein anderer Weg gefunden werden müssen! „Diskussionsbedarf“ genügt hier nicht als Begründung, den Saal zu verlassen.

Ich könnte ein taktisches Vorgehen ja noch verstehen. Das in in der Politik üblich, wird leider nur sehr überstrapaziert. Hier aber ist dem Zuschauer und Wähler ein Verhalten vorgeführt worden, welches seine Politikverdrossenheit nur noch weiter schürt. Gerade davor hatte die Alterspräsidentin noch eindringlich gewarnt. So schnell sind die mahnenden Worte Schnee von gestern!

Das Ergebnis war auf den Zuschauerrängen abzulesen. Im Verlauf des Abends hatten sie sich zusehends geleert. Das nennt man eine Abstimmung mit den Füßen …

Das ausgesprochen große Interesse am politischen Geschehen hätte die Politiker freudig stimmen sollen. Ob nach dieser Posse, noch einmal so viel Zuschauer kommen werden? Naja, möglicherweise ja, weil sie nämlich noch eine Steigerung erwarten …

Zwei SPD-Altbürgermeister saßen auf der Ehrenbank, Werner Salomon (1979 – 1992) und Sigurd Hauff (1992 bis 1995). Das Geschehen hat ihnen offensichtlich nicht gefallen. Auch Raed Saleh versuchte seinen Einfluss auf seine Leute geltend zu machen – ohne Erfolg, wie sich zeigte.

Auf Antrag der Piratenfraktion wurde die Beschlussfähigkeit der BVV überprüft. Anwesen waren insgesamt 26 Verordnete, 23 von der CDU und 3 von den Piraten. 28 wären für eine Beschlussfähigkeit notwendig gewesen. Also vertagte man die Sitzung auf den nächsten Mittwoch.

Gleiches Spiel -Neues Glück?

Fortsetzung am 2. November um 17 Uhr im BVV-Sitzungsaal! Nicht vergessen! Rechtzeitig Karten im BVV-Büro sichern!

Warum sind nun die Piraten schuld daran?

Ganz klar, hätten sie einen vierten Kandidaten für die Bezirksverordnetenversammlung in Spandau aufgestellt, hätte es eine ungerade Anzahl von Verordneten gegeben. Eine Pattsituation wäre so nicht aufgetreten!

;-)

 

Ralf Salecker

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)