Stuttgart 21 ist überall
Von: Annette MischlerWillkür, Ignoranz von Bürgerinteressen und Planungschaos zerstören auch hiesige Lebensräume – wie Klein Klein-Venedig.
Der Interessenverband der Freunde Klein-Venedigs e.V. protestiert aufs Schärfste gegen die Pläne des Spandauer Grünflächenamtes auf den Tiefwerder Wiesen zukünftig asiatische Wasserbüffel weiden zu lassen.
Hier hatten rund 150 Laubenpieper teilweise seit 1922 ihre Kleingärten. Sie pflegten Flora und Fauna, zahlten ihre Pacht an das Land und schufen damit auch ein Refugium, das von Besuchern, Wassersportlern, Vereinen und Spaziergängern viel und gern genutzt wurde. Im Jahr 2005 kam das Aus. 67 Lauben (auf Senatsland) wurden innerhalb von 2 Jahren dem Erdboden gleich gemacht, die Pächter vertrieben.
Der Grund? Das Grünflächenamt Spandau hatte beschlossen, die Tiefwerderwiesen zum Hechtlaichgebiet zu machen. Nicht definiert wurde dabei, wie die dafür notwendigen regelmäßigen Überschwemmungen der Wiesen herbeigeführt werden sollten.
Es sollte weiterhin eine „Renaturierung“ des Gebietes stattfinden.
In welcher Form und in welchen Zustand die Natur „zurückgeführt“ werden sollte, wurde jedoch nicht aufgezeigt.
Zwei Pächter wehrten sich gegen die Willkür. Sie verließen ihre Grundstücke nicht klagten gegen die Räumung und bekamen Recht. (Artikel Morgenpost vom 25.05.2008)
Fazit des Gerichts: Das Amt habe kein Konzept, es fehle die Finanzierung und es stehe kein erkennbarer Nutzen hinter dem Handeln des Bezirksamtes.
Wieder 2 Jahre später – die geräumten Grundstücke veröden, die Wiesen sind sich selbst überlassen, es entstehen Müllkippen, von Renaturierung keine Spur – hat das Amt nun eine neue Idee:
Die Ansiedlung asiatischer Wasserbüffel. Das hat mit der Ansiedlung von Hechten und Renaturierung nun nichts mehr zu tun. Aber auch hier fehlt es an einem Konzept, das den Menschen und die bereits existierende Flora und Fauna gleichermaßen ins Auge fasst. Was bedeutet die Ansiedlung von Büffeln für den angestammten Lebensraum von Graureihern, Igeln, Schwänen, Blumen und die empfindliche Schilflandschaft? Wie wird es diesen Büffeln gehen, mitten in Berlin? Und wo sollen die Menschen sich erholen, wenn das Gebiet für die Büffel aus Sicherheitsgründen weiträumig abgesperrt werden muss? Wer also zieht Nutzen aus dem Projekt?
Aber darum geht es offensichtlich ja nicht. Nur worum dann?
Hintergrundinformation/Erläuterungen/Fragen
Das umstrittene Weidegebiet umfasst 10 ha.
Die Tiefwerder Wiesen (gelegen zwischen Gasspeicher, Heerstraße und IKEA) sind ein Naherholungsgebiet im dicht besiedelten Spandau angrenzend zur Spandauer Wilhelmstadt.
Sie werden von Joggern, Radfahrern, Anglern, Kindern und Jugendlichen, Wassersportlern zum Sport treiben, Wandern, Spazieren genutzt. Ein Ort der Weite für Geist und Seele inmitten dichter urbaner Besiedelung.
Es ist uns unverständlich, warum auf dieser doch verhältnismäßig kleinen „Insel der Naherholung“ für die Anwohner/innen, Bewohner/innen und Besucher/innen mitten im Landschaftschutzgebiet eine Tierrasse angesiedelt werden soll, die dort nicht heimisch ist.
Unsere Fragen an die Politik:
- Wer stellt die touristische Infrastruktur bereit und wie wird sie bezahlt?
Die Ansiedlung von Wasserbüffeln auf der Pfaueninsel hat dort für steigende Besucherzahlen gesorgt.
Steigende Besucherzahlen erfordern eine „touristische“ Infrastruktur.
Schon jetzt ist das Grünflächenamt nicht in der Lage, die noch stehenden (wenn auch verfallenen) wenigen Bänke zu pflegen, zu reparieren oder ggf. zu ersetzen.
Es gibt im gesamten Gebiet keine Müllkörbe: Das Gebiet vermüllt. (Schon jetzt!!)
Es gibt keine Toiletten. Steigende Besucherzahlen = steigende Bedürfnisse.
Was das bedeutet, kann man sich z.B. nach einem Fußballspiel rund ums Olympiastadion sehen.
- Was hat der Kündigungsgrund der „Renaturierung“ mit der Ansiedlung von asiatischen Wasserbüffeln zu tun?
Das Grünflächenamt hat in den letzten Jahren ca. 70 Lauben abreißen lassen. Die Laubenpieper, von denen viele ihren Garten schon seit kurz nach dem Krieg hegten und pflegten, wurden eingeschüchtert, den z.T. schon hochbetagten Menschen wurde gekündigt. Das Argument war die Renaturierung der Tiefwerder Wiesen.
Viele der alten Menschen haben aus Angst aufgegeben.
Wenige haben gegen ihre Kündigung geklagt.
Und? Recht bekommen!
In den zwei Prozessen wurde den Klägern Recht gegeben, dass es sich bei den Kündigungen um amtliche Willkür (Urteil des Kammergerichts: „Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes“!) des Grünflächenamtes handelte.
Ein immer wiederkehrendes Argument der Kündigung war die „Wiederherstellung“ der Hechtlaichwiesen, die Renaturierung.
Dazu wurde durch das Grünflächenamt abgerissen und abgeholzt (zum Teil riesige, seit Jahren stehende Bäume mit dem Argument der Artenfremdheit im Feuchtbiotop).
Mit dem Erfolg – da nachhaltige Konzepte fehlten und fehlen – , dass das Gebiet verwildert, von Neophyten durchsetzt ist, vermüllt.
Wir fragen: Wie verträgt sich das Laichen des Hechtes mit den grasenden Wasserbüffeln, die u.a. durch nicht unerhebliche Mengen an Urin, den Boden mit Nitraten anreichern.
Seit wann sind diese in Spandau heimisch?
Wir fordern dieses unsägliche Projekt zu stoppen. Die Tiefwerder Wiesen in ihrer Weite offen zu lassen.
Die stehenden Pfeiler des zukünftigen Zauns zeigen schon jetzt, dass der weiterhin den Spaziergängern und Radfahrern zur Verfügung stehende Weg viel zu klein sein wird, um ausweichen zu können.
Hier wird wieder mit amtlicher Willkür ein Projekt durchgesetzt, was in keinster Weise die Menschen, die hier leben berücksichtigt.
Politik und moderner Landschaftsschutz beziehen den Menschen in die Planungen ein. Höchstes Ziel sollte dabei die Abwägungen und die Verträglichkeit verschiedener Interessen sein.
Hier wird der Lebensraum der Menschen massiv beschnitten und wieder wird amtliche Willkür, die schon vorher gerichtlich bescheinigt wurde, weiter geführt.
Kontakt:
Helmuth Klatt (Vorstand: Tel. 0163 -7676 180)
Fraya Frömming (Presseanfragen: 0157 884 79 767)