Wie die Bildzeitung Spandau sieht

Kladow und Gatow, als Orte für kiezorientierte Mehrfachtäter

ParagraphMein Gott!

Normalerweise neige ich nicht dazu, mich mit der BILD-Zeitung zu beschäftigen. Heute trudelte mir ein Artikel in meine Mail-Box, der mich verwundert aufblicken ließ. Offensichtlich habe ich die letzten Jahre geschlafen? In den „Randgebieten Kladow und Gatow“ leben die meisten „kiezorientierten Mehrfachtäter“ („Sie begehen innerhalb eines Jahres im Bereich eines Polizeiabschnitts mehrere Straftaten. … dazu gehören minder schwere Delikte wie Diebstahl, Körperverletzung, Sachbeschädigung“).

Dann werde ich dort wohl keinen Fuß mehr hinsetzen können, ohne in Gefahr zu geraten, von bösen Jugend-Gangs in die Mangel genommen zu werden. Glücklicherweise gibt es die BILD, die mich mit sorgfältig recherchierten und neutral bewerteten Informationen versorgt. Also Kladow und Gatow, ihr vormals so liebenswerten Orteile des schönen Spandaus, ihr seid nun „No-Go-Areas“. Tut mir leid. Die BILD hat immer recht …

Worum geht es genau? Nun, der BILD soll „exklusiv“ eine Statistik der Polizei vorliegen, die genau zeigt, wo und wie viele „Kinder-Gangster klauen, prügeln und randalieren“. Die „kiezorientierten Mehrfachtäter“ Berlins leben vor allem in den „Spandauer Randgebieten Kladow, Gatow, Staaken, … gefolgt von Reinickendorf (Ost) und Marzahn“. 379 sollen es in ganz Berlin sein.

Bemerkenswert ist, welche Gebiete für die Statistik zusammengefasst wurden:

  • Kladow, Gatow, Staaken: 26 Kiez-Täter im Wohngebiet
  • Siemensstadt/Westend: 1 Kiez-Täter im Wohngebiet
  • Spandau: 2 Kiez-Täter im Wohngebiet

In der „BILD-Statistik“ werden mal kurz Kladow, Gatow und Staaken zusammen gefasst. Wo bleiben das Falkenhagener Feld, Hakenfelde, Haselhorst und die Wilhelmstadt? Sind diese Ortsteile plötzlich ein Hort der Tugend? Ist möglicherweise das Quartiersmanagement völlig zu unrecht im Falkenhagener Feld und der Neustadt installiert worden? Brauchen in Wirklichkeit Gatow und Kladow unser aller Hilfe? Seit wann gehört das Westend zu Spandau?

Nun, diese Erklärung ist einfach. Die Statistik nimmt die Polizeiabschnitte als Grundlage der Erhebung.

  • Abschnitt 21
    • Falkenhagener Feld, Hakenfelde, Neustadt, Altstadt Spandau
  • Abschnitt 22
    • Siemensstadt, Haselhorst, Ruhleben, Westend, Eichkamp
  • Abschnitt 23
    • Kladow, Gatow, Staaken, Wilhelmstadt

Ergänzend zu den Angaben der BILD einige Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2010 für Berlin:

Die Jugendgruppengewalt geht zurück. 5142 Fälle wurden registriert, das sind 329 weniger als 2009 (- 6 Prozent). Die Gründe dafür sind:

  • Es gibt immer weniger junge Menschen in Berlin (2000 waren 20 Prozent der Bevölkerung zwischen 14 und 18 Jahre alt; 2009i waren es nur noch 18 Prozent).
  • Darüber hinaus wirken präventive Maßnahmen und das Intensivtäterkonzept.
  • Die präventiven Maßnahmen müssen aber ausgeweitet werden. Sie werden nicht stadtweit ergriffen und können nach wie vor „Sparmaßnahmen“ zum Opfer fallen.

Aber, so der Landesbezirksvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Eberhard Schönberg:

„Die GdP-Analyse der letzten Jahre hat sich auch 2009 bestätigt, immer weniger Polizisten stellen immer weniger Straftaten fest.
Das Dunkelfeld weitet sich weiter aus. Die Anzeigenbereitschaft nimmt deshalb weiter ab, da die Polizei auf Grund des Personalmangels nicht immer zu umfassenden Ermittlungen in der Lage ist.“

Schaut man sich die Straftaten 2009 in den Berliner Bezirken an, dann liegt Spandau mit rund 26000 deutlich im unteren Drittel (Maximun in Friedrichshais-Kreuzberg mit etwa 45000), Tendenz in allen Bereichen weiter fallend. Die Berliner Polizei rechnet für 2010 mit einem Rückgang der Kriminalität im Vergleich zum Vorjahr um zwei bis drei Prozent. Die Jugendgruppengewalt geht sogar sehr deutlich zurück, nämlich um etwa 22 Prozent.

Die statistische Erhebung der Taten verläuft leider nicht nach einem festen Schema. Da von Jahr zu Jahr sich die Begrifflichkeiten ändern können, sind deutliche statistische Sprünge nach oben und unten möglich. Was in einem Jahr zu einer bestimmten Kategorie gezählt wurde, muss in nächsten Jahr dort nicht wieder erscheinen …
Einige Straftaten lassen sich durch direkte Aktionen oder Präsenz der Polizei (z. B. Drogenkontrollen) beeinflussen.

Die Wahlen im September rücken immer näher. Was liegt näher, als das Thema „Sicherheit“ auf eine bestimmte Art und Weise zu behandeln …

Wieder einmal gilt. Glaube nur der Statistik, die du selbst erstellt hast …

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)