Die Renaissancefestung als Tastmodell für Blinde
Andrea Theissen, die Leiterin des Stadtgeschichtlichen Museums auf der Zitadelle hatte die Idee, Spandaus schönste Festung auch für Menschen mit Sehbehinderung zugänglich zu machen. Viele Bereiche des jahrhundetealten Bauwerkes sind für Blinde nicht zugänglich. Da lag die Idee nahe, ein Modell zu schaffen, welches möglichst viele Details des Originals aufweist.
In den Werkstätten der LOWTEC gGmbH schufen fünf Mitarbeiter der Blindenhilfe in 1400 Arbeitsstunden ein Tastmodell der Zitadelle. Als Material wurde Lindenholz gewählt, passend zur Linde die gleich Eingangs im Innenhof der Zitadelle steht. Sie dürfte etwa so alt sein, wie Spandaus Zitadelle selbst. Das Material Holz ist warm und lädt mit seinen weichen Kanten zur tastenden Erkundung ein.
Carsten Röding, Spandaus Baustadtrat, nahm die Vorstellung des Tastmodells im Kommandantenhaus zum Anlass, auf die Bemühungen in Spandau zur Barrierefreiheit hinzuweisen. Das fertige Tastmodel von Spandaus Festung steht somit stellvertretend für viele Aktivitäten im Bezirk, die eine immer bessere Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ermöglichen sollen.
Schon der Artikel 11 der Verfassung von Berlin gibt vor, das Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden dürfen. Das Land ist verpflichtet, für die gleichwertigen Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung zu sorgen.
Im November 2010 wurde von der Europäische Kommission eine Strategie verabschiedet, um die Lage von Menschen zu verbessern, die mit einer Behinderung leben. Man könnte meinen es handle sich nur um eine kleine Minderheit. Weit gefehlt. Europaweit sind dies rund 80 Millionen Menschen, genauso viele, wie Deutschland Einwohner hat. Die EU-Behinderten-Strategie 2010-2020 „Erneuertes Engagement für ein Europa ohne Barrieren“ will die Hürden beseitigen, die behinderte Menschen hindern, sich in vollem Umfang und gleichberechtigt am Leben der Gesellschaft zu beteiligen.
So gilt es in den Bereichen Erreichbarkeit und Soziale Teilhabe möglichst viele bestehende Barrieren abzubauen (Stichwort Barrierefreiheit), oder in zukünftige Bau-Projekten die Bedürfnisse von Behinderte zu berücksichtigen. So wurde im März in der Bezirksverordnetenversammlung ein Antrag eingebracht, der mit Hilfe moderner Navigationstechnologien die Spandauer Altstadt auch für Touristen mit Behinderung barrierefrei erschließen möchte. Dabei folgt man einem Vorbild aus dem Bezirk Treptow-Köpenick.
In Zukunft soll das Tastmodell von Spandaus Zitadelle mit Zeichen in Blindenschrift (Braille-Schrift) versehen werden, um so noch mehr Informationen über das imposante Bauwerk vermitteln zu können. Trockene Fakten, wie auch kleine Ereignisse aus den Jahrhunderten der Zitadelle können dann auch Blinden vermittelt werden. Geschichten über Gefangene auf der Zitadelle, wie Turnvater Jahn, oder der Grund, warum auf der Bastion König hochgewachsene Kastanien stehen. Diese sollten nämlich möglichen Kanonenschützen den Blick auf den Juliusturm erschweren.
Den Praxistest für das Tastmodell übernahm Petra Wagner vom Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein und Vorsitzende des Behindertenbeirates beim Bezirksamt Spandau. Selbst Sehbehindert, konnte sie sich von der Qualität der Arbeit überzeugen. Der Wunsch nach mehr solcher Modelle ist nur verständlich.
Klaus Laufmann, Bezirksbeauftragter für Senioren und Menschen mit Behinderung im Bezirksamt und Petra Wagner äußerten den Wunsch nach einem großen Bronzemodell, welches einmal – mitten im Herzen Spandaus – auf dem Marktplatz stehen könnte. Viele Städte leisten sich diesen von Touristen gerne betasteten Luxus. Blanke Stellen auf ansonsten nachgedunkelter Bronze zeigen dies deutlich. Das Material würde auch problemlos Wind und Wetter und selbst Schmierereien überstehen. Die Zitadelle, oder gar die ganze Altstadt in Bronze wären ein schönes Bild. Man müsste „nur“ einen Künstler finden, der das Modell gestaltet und Sponsoren, die es finanzieren. Wer weiß – möglicherweise finden sich ja welche …
Das Thema Barrierefreiheit war schon vorher ein Thema auf der Zitadelle. So dürfte vielen der Audioguide bekannt sein, der elektronische Führer durch die Zitadelle, der an 15 Punkten etwas zur Geschichte der Zitadelle zum Besten gibt. Ergänzend dazu gibt es – und dies wissen nur wenige – ein handliches Heftchen aus Kunststoff, welches ergänzend für Sehbehinderte zur Verfügung gestellt wird. In Kunststoff geprägt gibt es hier ein tastbaren Umriss der Festung. Alle 15 Punkte des Rundgangs sind hier kurz beschrieben. Nicht sehr umfangreich, aber ein lobenswerter Ansatz.
Vor einiger Zeit befanden sich im Gotischen Haus (Touristeninformation) in der Altstadt Spandau ein tastbares Model der Altstadt selbst, sowie eines Abschnitts der ehemaligen Grenzanlagen. Diese werden wahrscheinlich in etwa drei Wochen dauerhaft auf der Zitadelle zu erleben sein.
Ein kleinen Ausblick auf das demnächst anstehende nächste neue Modell verrieten Petra Wagner und Klaus Laufmann noch zum Abschluss der Veranstaltung. Eine große Fledermaus, passend zur Zitadelle, Spandaus größtem Fledermausquartier.
Bezirksbeauftragter für Senioren und Menschen mit Behinderung im Bezirksamt Spandau
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