Der "Panzerkreuzer" von Hans Scharoun in Siemensstadt

Meilensteine des Wohnungsbaus in Spandau

„Siedlungen der Moderne“ am Tag des offenen Denkmals am 10. September 2016

Der "Panzerkreuzer" von Hans Scharoun in Siemensstadt
Der „Panzerkreuzer“ von Hans Scharoun in Siemensstadt (Foto: Ralf Salecker)

4-stündige Führung verknüpft erstmalig drei Siedlungen der Moderne: Reichsforschungssiedlung Haselhorst, Ringsiedlung Siemensstadt und Wohnsiedlung Charlottenburg-Nord. Die Führung ist kostenfrei, eine Anmeldung ist erforderlich!

Im Norden Charlottenburgs und in Haselhorst vermuten selbst viele „echte“ Berliner keine architektonischen Geheimtipps. Dabei finden sich dort mit der Reichsforschungssiedlung Haselhorst, der Weltkulturerbesiedlung Siemensstadt und der Wohnsiedlung Charlottenburg-Nord Meilensteine des Wohnungsbaus in Berlin, an deren Planung weltberühmte Architekten wie Walter Gropius, Hans Scharoun, Fred Forbát, Hugo Häring und Paul Mebes mitwirkten.

Die Siedlungen gehören heute mit der Deutschen Wohnen und der Gewobag verschiedenen Eigentümern. Eine gemeinsame Führung am deutschlandweiten Tag des offenen Denkmals lässt nun erstmals verborgene Zusammenhänge sichtbar werden.

Die Tour beginnt in der Gewobag-Museumswohnung in Haselhorst, mit der U-Bahn geht es weiter zum UNESCO-Welterbe Ringsiedlung Siemensstadt der Deutschen Wohnen. Zum Abschluss können Interessierte Scharouns Atelierwohnung am Heilmannring in der Wohnsiedlung Charlottenburg-Nord kennenlernen.

Stadtführer und Buchautor Michael Bienert sowie Architekt und Hochschullehrer Thomas M. Krüger sind ausgewiesene Experten für Architekturführungen und leiten die 4-stündige Tour. Die Teilnehmerzahl ist auf 25 Personen beschränkt, eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich.

 

Das Motto des Tages: „Gemeinsam Denkmale erhalten“

Der Tag des offenen Denkmals bietet „Geschichte zum Anfassen“: Jedes Jahr im September öffnen in Deutschland historische Bauten und Stätten ihre Türen, die sonst nicht oder nur teilweise zugänglich sind. 2014 haben über 4,5 Millionen Besucher in ganz Deutschland mehr als 8.000 Denkmäler besichtigt. Das Motto 2016 lautet „Gemeinsam Denkmale erhalten“. Es lehnt sich an den Vorschlag des Europarats an, dass sich die European Heritage Days schwerpunktmäßig dem überregionalen Motto „Heritage and Communities“ widmen sollen. Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Arbeit für die Erhaltung unseres kulturellen Erbes.

1. Station Haselhorst: Innovatives Wohnen anno 1935

An der bis 2014 denkmalgerecht modernisierten ehemaligen Reichsforschungssiedlung Haselhorst waren unter anderem Bauhausgründer Walter Gropius und namhaften Architekten wie Paul Mebes und Otto Bartning beteiligt. Zur offiziellen Fertigstellung 1935 wurden in Haselhorst mehr als 3.400 Wohnungen für rund 12.000 Menschen fertiggestellt. Wegen der großen Wohnungsnot war das Ziel des „Neuen Bauens“, möglichst praktische und platzsparende Grundrisse für das Leben von einkommensschwachen Familien zu entwickeln. Ergebnis waren staatlich geförderte Wohnungen, in denen der knappe Raum optimal ausgenutzt wurde.

Die heutige Museumswohnung plante Architekt und Stadtplaner Fred Forbát als Kleinstwohnung mit 45 Quadratmetern Wohnfläche für eine Familie mit zwei Kindern. Die Besucher erwartet viel Originalsubstanz: Holztüren mit den originalen Klinken und Türzargen, ein Türspion, Terrazzoböden in Bad und Küche, in den Zimmern historische Holzdielen mit ochsenblutrotem Anstrich. Das dazu passende Mobiliar aus der Bauzeit wurde neu beschafft, darunter eine historische Kochmaschine, eine Kurzbadewanne, ein Badeofen und sogar Vorhangstoffe und Bettwäsche aus den 1930er-Jahren.

Veranstaltungstipp:

  • Lesung mit Lichtbildvortrag zum Thema „Moderne Baukunst in Haselhorst“ von Buchautor Michael Bienert anlässlich der Neueröffnung der Stadtteilbibliothek Haselhorst
  • (9. September, 19 Uhr • Haselhorster Damm 1, 13599 Berlin)

 

2. Station Ringsiedlung Siemensstadt: Facetten der Neuen Sachlichkeit

Die Ringsiedlung Siemensstadt entstand in den Jahren 1929 bis 1934 unter Mitwirkung der Architekten Otto Bartning, Fred Forbát, Walter Gropius, Hugo Häring, Paul-Rudolf Henning und Hans Scharoun, die alle der progressiven Vereinigung „Der Ring“ angehörten. Vor diesem Hintergrund erhielt die Siemensstadt den Namen Ringsiedlung. Die Arbeitsgemeinschaft der Architekten wurde von Stadtbaurat Martin Wagner geleitet. Er gab jedem Architekten die Möglichkeit, seine individuelle Interpretation des neuen sozialen Bauens unter großstädtischen Bedingungen umzusetzen.

Jeder Architekt plante einzelne Häuserzeilen. In der Siemensstadt entwickelte sich ein vielgestaltiges Siedlungsbild: vom Funktionalismus von Gropius über die Raumkunst Scharouns bis zum organischen Formenreichtum Härings wird die ganze Spannbreite des „Neuen Bauens“ sichtbar. Weg vom starren funktionalistischen Zeilenbau wurde der Fokus auf eine ungezwungene Raumgliederung gerichtet, die den natürlichen Gegebenheiten der Umgebung entspricht. Mit ihren sozialen und sanitären Funktionen wurden die Freiräume der Siemensstadt in den 1920er-Jahren als Ausgleich zu den schweren Lebens- und Arbeitsbedingungen verstanden. Heute gehört die Ringsiedlung Siemensstadt mit rund 2.800 Einwohnern zu einem der größten Wohngebiete Berlins.

 

3. Station Charlottenburg-Nord: Wohnhöfe im Grünen

Die Wohnsiedlung Charlottenburg-Nord mit annähernd 4.000 Wohnungen für 12.000 Menschen entstand von 1956 bis 1961. An der Planung war erneut Hans Scharoun maßgeblich beteiligt. Bauträger waren im Wesentlichen die Wohnungsbaugesellschaften GSW (westlich des Halemwegs) und Gewobag (östlich des Halemwegs). Hans Scharoun selbst zog 1960 in ein Künstleratelier im achten Stock eines Wohnblocks am Heilmannring. Er zählt zu den wenigen Architekten, die selbst in eine Großsiedlung, die sie geplant haben, eingezogen sind. Insgesamt gab es sogar drei großzügige Atelierwohnungen im Viertel. Sie waren Teil von Scharouns Idee der „Wohngehöfte“ und der Mischung: Alle sozialen und beruflichen Schichten sollten in seinen Häusern ihren Platz finden.

 

Tag des offenen Denkmals – „Siedlungen der Moderne“ der Deutsche Wohnen und Gewobag

  • Leitung der Führung: Michael Bienert und Thomas M. Krüger
  • Samstag, 10. September 2016, 13 bis 17 Uhr
  • Treffpunkt: Museumswohnung in der ehemaligen Reichsforschungssiedlung Haselhorst • Burscheider Weg 21 • 13599 Berlin (Spandau)
  • Eine Anmeldung für die Führung ist erforderlich bis zum 31. August (Janine Kühnold, Telefon 4708-1541 oder j.kuehnold@gewobag.de)
  • Die Museumswohnung ist zusätzlich am 10. September von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Für den Besuch ist keine Anmeldung nötig.
  • Alle Angebote sind kostenfrei.

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)