Rathaus Spandau

Höher als die Nikolai-Kirche

Rathaus Spandau, Blick vom Dach des Florida Eiscafés
Rathaus Spandau, Blick vom Dach des Florida Eiscafés
Rathaus Spandau, Nebengebäude mit Efeu
Rathaus Spandau, Nebengebäude mit Efeu

Am südlichen Rand der Altstadt, beinahe im Herzen Spandaus, erhebt sich unübersehbar ein Gebäude, dessen Turm mit seinen 86,25 Metern Höhe sogar den Turm der Nikolai-Kirche (77 Meter) überragt: das Rathaus Spandau 1. Zieht man die Länge des „Fahnenmastes“ mit seiner goldenen Kugel als trigonometrischem Messpunkt ab, dann sind es zwar nur noch 77,5 Meter, doch auch der halbe überragende Meter genügte, um symbolisch Überlegenheit zu demonstrieren. Von der Aussichtsplattform des Rathauses in stolzen 61 Metern Höhe könnte man weit nach Berlin und ins Havelland hineinsehen – wenn der Turm denn für Besucher geöffnet wäre. Früher gab es einmal einen Fahrstuhl. Dieser liegt jedoch seit dem Zweiten Weltkrieg zertrümmert am Boden. Seitdem ist der Turm baupolizeilich gesperrt. In der Vergangenheit gab es gelegentlich die Chance, ihn gemeinsam mit dem Baustadtrat oder dem Bürgermeister über die Treppe zu besteigen. Wann dies in Zukunft der Fall sein wird, kann man den örtlichen Medien (z. B. www.unterwegs-in-spandau.de) entnehmen.

Der Grundstein des heutigen Rathauses wurde vor gut 100 Jahren, am 3. April 1911, gelegt. Im großen Segmentgiebel über dem Hauteingang steht neben dem Bezirkswappen die Inschrift: „Erbaut unter der Regierung Kaiser Wilhelms II. von der Bürgerschaft in den Jahren (MCMX–MCMXIII) 1910–1913.“ Die Bürger der Stadt wollten voller Stolz ihre Unabhängigkeit von Berlin dokumentieren. „Es schütze uns des Kaisers Hand vor Großberlin und Zweckverband“, so formulierte es der damalige Stadtrat Emil Müller bei der Grundsteinlegung.

Rathaus Spandau, BVV-Saal
Rathaus Spandau, BVV-Saal
Rathaus Spandau, Metall beschlagene Tür zum Sitzungssaal
Rathaus Spandau, Metall beschlagene Tür zum Sitzungssaal

Trotz allem wurde Spandau einige Jahre später, im Jahr 1920, nach Berlin eingemeindet. Heute gibt es viele Gründe, darüber nicht böse zu sein. Dem größten Teil Spandaus blieb so die DDR „erspart“.

Bevor das heutige Rathaus errichtet wurde, gab es ein kleines Rathaus am Marktplatz in der Altstadt, etwa dort, wo heute das Gebäude der Berliner Volksbank steht. Es wurde um 1900 jedoch endgültig zu klein. Denn Spandau entwickelte sich prächtig unter dem Oberbürgermeister Friedrick Koeltze und es kam der Wunsch auf nach einem prächtigen neuen Domizil, das zudem die gesamte Stadtverwaltung beherbergen sollte. Bislang verteilte sich diese auf fünf örtlich getrennte Gebäude. Im Jahr 1908 wurden schließlich Nägel mit Köpfen gemacht. Magistrat und Stadtverordnetenversammlung beschlossen, ein neues Rathaus zu bauen. Zwei Millionen Mark wollte man anfangs dafür in die Hand nehmen. Gekostet hat das Gebäude am Ende 6 Millionen Mark.

Die Architekten Georg Süßenguth und Heinrich Reinhardt, die damals „nur“ den zweiten Platz des Planungswettbewerbs gewonnen hatten, entwarfen das Rathaus, das zwischen 1910 und 1913 auf dem Gelände der ehemaligen Bastion I der Stadtbefestigung entstand. Erst kurz zuvor war die Festungseigenschaft Spandaus aufgehoben worden.

Mit seiner 116 Meter langen Fassade mit Barockelementen wirkt das Gebäude ein wenig wie eine trutzige Burg. Der linke Seitenflügel beherbergte früher u. a. die Polizei, die sogar über eigene Hafträume verfügte. Kinder nutzten sehr gerne den Paternoster, bis es ihnen durch behördliche Anordnung verboten wurde.

Schulden hatte Spandau auch damals schon. Die vielen Rüstungsbetriebe trugen nicht zum Steueraufkommen bei. Für das Rechnungsjahr 1913 wurden mehr als 40 Millionen Mark an Schulden ausgewiesen, bei einem Gesamtetat von unter 15 Millionen.

Nicht immer herrschten demokratische Verhältnisse im Rathaus. Früher gab es vielmehr ein Dreiklassenwahlrecht. Die veränderte Städteordnung von 1853 festigte damals noch einmal den Status der Hausbesitzer. Sie machten die Hälfte der Stadtverordneten aus. Damals wurde der – noch unbezahlte – Posten des Stadtrates geschaffen. Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Rathaus erhebliche Schäden, die z. T. noch heute zu sehen sind. In den fünfziger Jahren erhielt es im Zuge der Wiederaufbaumaßnahmen sein heutiges Aussehen.

Ralf Salecker

Buchempfehlung:

One thought on “Rathaus Spandau

  1. Glücklicherweise konnte ich eine ganz andere Gelegenheit nutzen, den Turm zu besteigen. Ohne Lokalpolitik, beinahe privat. Ist schon ein paar Jahre her, hat mir aber viel Spaß gemacht. Der Architekt des Rathauses hat übrigens die Einladung zur Einweihungsfeier abgelehnt. Es gab wohl verschiedene Verstimmungen im Vorfeld…

    Ach ja, der Turm hatte mal einen Aufzug, keinen Fahrstuhl (Rolly).

    Infos zum Gebäude gab es im kleinen Buch „75 Jahre Rathaus Spandau“, herausgegeben vom Bezirksamt Spandau in Zusammenarbeit mit der „Heimatkundlichen Vereinigung Spandau 1954 e.V.“ Ein wirklich gelungenes Büchlein.

Schreibe einen Kommentar