Ab Dienstag drohen Bahnstreiks im Nah- und Fernverkehr

Der bundesweite Arbeitskampf der Bahngewerkschaften Transnet und GDBA beginnt

Im Großraum Berlin pendeln viele Tausend Menschen jeden Morgen von und nach Berlin. Durch die Warnstreiks wird zu zu massiven Verspätungen kommen. Um 4 Uhr in der Früh bis gegen 11 Uhr ist mit Ausfällen zu rechnen. Fahrgemeinschaften und Mitfahrgelegenheiten (über das Internet) wären jetzt die einzige Möglichkeit, dem Problem zu entgehen. Arbeitnehmer können Streiks nicht als Entschuldigung für ein verspätetes Erscheinen am Arbeitsplatz geltend machen. An den Bahnschaltern wurden aber formlose Zettel mit dem Streikhinweis ausgegeben.

Streikziele um Berlin herum sind die Prignitzer Eisenbahn (PEG) und das Stellwerk Biesdorfer Kreuz. Beeinträchtigungen sind folglich im Norden Brandenburgs zu erwarten. Betroffen sind ebenfalls die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (ODEG) und die Niederbarnimer Eisenbahnbetriebsgesellschaft.

Nicht betroffen von den Streiks ist die Berliner S-Bahn. Hier sollte dem geschundenen Bürger wohl nicht noch mehr zugemutet werden. Die Bahn ist sich ihres angeschlagenen Images wohl bewusst. So erstaunt es nicht, dass sie den ihrer Meinung nach unbegründeten Streik durch ein Schlichtungsverfahren beenden möchte.

Den Arbeitnehmervertretern ist es Ernst mit ihren Forderungen nach einem Tarifvertrag für die gesamte Branche.  Seit Juli laufen die Verhandlungen. Gerade bei den Privaten (Benex, Keolis, Veolia, Arriva, Abellio und die Hessische Landesbahn) befürchten die Angestellten, das der Wettbewerb zwischen Bahn und privaten Anbietern  zu Lasten der Löhne ausgetragen werden soll. Zum Teil bekommen diese bis zu 20 Prozent weniger Lohn, so Transnet und GDBA. Sie sprechen auch von Lohndumping. Vom Tarifstreit betroffen sind 10 000 Beschäftigte bei den Privatbahnen und 155 000 bei der Bahn.

Benex, Keolis, Veolia, Arriva, Abellio und die Hessische Landesbahn haben sich inzwischen ein Fünftel des Schienenregionalverkehrs gesichert, den der Staat mit rund sieben Milliarden Euro subventioniert. Sonst würde es deutlich weniger Züge auf diesen Strecken liegen. Die Bahn selbst hat in den letzten Jahren ihr Engagement im Regionalverkehr deutlich ausgedünnt. Die Konkurrenz führte insgesamt zu einem besseren Angebot für die Kunden selbst.  Der Service und die Qualität der erbrachten Leistung haben zugenommen.

Ehrlicherweise darf man nicht den Privaten allein, mit ihren geringeren Löhnen, die Schuld an dem Problem zuweisen. Die Bahn selbst hat inzwischen 17 Tochterfirmen gegründet, die unabhängig von den geltenden Tarifabschlüssen agieren können – also mit deutlich geringeren Löhnen. Im Dezember nimmt im Rheinland die erste den Verkehr auf. Darum wird der Streik so schnell kein Ende finden …

Auch die Deutsche Bahn hat auf den Lohnwettbewerb reagiert. Nachdem sie zeitweise deutlich Marktanteile eingebüßt hatte, hat sie 17 Tochterfirmen gegründet, die nicht an die im Konzern geltenden Tarifbestimmungen gebunden sind. Die erste dieser Billigtöchter soll ab Dezember im Rheinland den Verkehr aufnehmen. Die BVG in Berlin hat es mit ihrer Ausgliederung von Teilleistung vorexerziert. Für die gleiche Leistung werden Busfahrer schlechter bezahlt, nur weil sie nicht direkt bei der BVG beschäftigt sind.

In den seit Juli laufenden Verhandlungen um einen bundeseinheitlichen Tarif für alle Beschäftigten liegt ein Angebot der Privaten vor, welche rund 10 Prozent unter dem Flächentarif der Bahn liegt. Das ist den Arbeitnehmervertretern zu wenig. Die privaten Anbieter wollen ihren finanziellen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Bahn aber nicht aufgeben. Diese pokert aber, indem sie ihre Tochtergesellschaften als Argument in die Waagschale wirft. Bei nur fünf Prozent Lohnunterschied würde sie auf diese Billig-Tochtergesellschaften verzichten.

  • Die Bahn selbst zaubert für Dienstag mehrere hundert zusätzliche Mitarbeiter aus dem Zylinder, um die Folgen zu mildern.
  • Seit Montag Nachmittag ist bei der Bahn die Service-Nummer für entsprechende Fragen geschaltet: 08000 996633
  • Formal sind Streiks als höhere Gewalt einzustufen. Folglich gibt es keine Entschädigungen bei Verspätungen.
  • Wer seinen Zug verpasst, kann aber mit kulanten Reaktionen der Bahn rechnen. In den Reisezentren können (lt. rbb) Fahrkarten umgetauscht, oder der Preis erstattet werden.

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)