Europa hat gewählt – und ist nach Rechts gerückt

Mehr als 50 Prozent der Wähler zeigten kein Interesse an demokratischer Beteiligung

Örtlich und inhaltlich nahe Wahlplakate von NPD und AFD in Spandau (Foto: Ralf Salecker)
Örtlich und inhaltlich nahe Wahlplakate von NPD und AFD in Spandau (Foto: Ralf Salecker)

65 Jahre Grundgesetz. 65 Jahre demokratische Wahlen. Ein Jubiläum einer demokratischen Institution, auf die wir zu Recht stolz sein dürfen, scheint in den Köpfen von mehr als 50 Prozent der deutschen Wähler keinen positiven Widerhall zu finden. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass es nicht mehr für notwendig erachtet wird, dieses demokratische Mittel und seine Möglichkeiten auch aktiv zu nutzen.

Anderswo sterben Menschen, weil sie sich mit ihrem Leben für demokratische Bedingungen einsetzen. Fast einhellig verurteilen die Menschen es hierzulande, wenn anderswo das Wahlrecht eingeschränkt und mit Füßen getreten wird. In unserem Lande wird dieses besondere Geschenk offensichtlich als ein lästiges oder vernachlässigenswertes Gut betrachtet.

Ein intransparentes Europa schürt Ängste und Vorbehalte

Nun mag man über unser Europa geteilter Meinung sein. Jedes System ist verbesserungswürdig. Die Mangelnde Transparenz von EU-Entscheidungen und die übergroße Nähe zu Lobbyisten sind zweifelsohne kritikwürdig.

Wenn nationale Entscheidungen sich irgendwann in europäischem Recht niederschlagen, dann darf man sich später nicht national davon distanzieren, auch manche Auswüchse eher den Kopf schütteln lassen. Ebenso versteht es kein politisch interessierter Mensch, wenn Entscheidungen national propagiert, im EU-Parlament aber konsequent torpediert werden. Das ist trotzdem kein Grund, sich der Wahl zu verweigern oder rechtspopulistischen Demagogen Tür und Tor zu öffnen.

Sündenböcke aufzeigen ohne Lösungen zu bieten

Niemand, der komplizierte Probleme auf einfache Ursachen zurückführt, ohne auch nur den Hauch einer konkreten Antwort zu bieten, hat seriöse Absichten. Für alles einen Sündenbock zu präsentieren, aber nie eine Lösung, sagt eigentlich alles aus…

Die einen Wähler wenden sich denen zu, weil sie sich in ihrer Angst vor einer scheinbar ungewissen Zukunft aufgehoben fühlen. Andere meinen, dass es ausreicht, „wenn jemand Dinge endlich ausspricht“. Aber, Politik MUSS Antworten liefern!

Europa bestimmt zweifelsohne unser Leben. Als reine Wirtschaftsunion gegründet, ist es inzwischen deutlich mehr. Wir alle profitieren von einem funktionierenden Europa. Nach dieser Wahl gelangen eine Menge Europakritiker oder -gegner in EU-Parlament. Wie sehr sie die Arbeit des Parlaments behindern werden, wird die Zukunft zeigen.

Ergebnisse der Europawahl 2014

14 Parteien werden aus Deutschland ins europäische Parlament einziehen. 0,5% der Wählerstimmen genügen, um dort einen Platz zu ergattern. Die Wahlergebnisse in Frankreich, Großbritannien, Italien usw. bescheren uns im Europäischen Parlament, fast 10 Prozent Abgeordnete, die im weitesten Sinne dem rechten Spektrum zugeordnet werden können. Das ist kein erfreuliches Ergebnis. In Frankreich sind die beiden ehemals großen Volksparteien dramatisch in ihrer Bedeutung geschrumpft. Die rechtsnationale Front National von Marine Le Pen wurde mit 25%zur stärksten Kraft gewählt.

Wir können froh sein, dass in Deutschland keine französischen Verhältnisse herrschen. Trotzdem ist es erschreckend, dass eine Partei, deren Wahlwerbung praktisch deckungsgleiche Wahlslogans verwendete, wie die NPD, mit rund 7 Prozent ins Europäische Parlament einziehen wird. Die AFD profitierte eindeutig von der geringen Wahlbeteiligung. Bei der Bundestagswahl 2013 (Wahlbeteiligung 71,5%) bekamen sie etwa zwei Millionen Stimmen, also ebenso viele, wie jetzt zur Europawahl. Absolut ist die Zahl ihrer Wähler gleich geblieben. Interessant dürfte dabei noch die Betrachtung der Wählerbewegungen sein. Weil also wahrscheinlich zu wenige von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, zieht jetzt die AFD mit 7 Sitzen ins Europaparlament ein.

In Spandau besonders viel AFD-Wähler

Die Wahlbeteiligung lag 2014 in Berlin bei 46,7%, 2009 waren es nur 35,1%. Diese Steigerung dürfte wahrscheinlich dem Interesse an der Entscheidung zum Tempelhofer Feld zu verdanken sein.

In Spandau erreichte die AFD sogar 10 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen. Damit befindet der Bezirk berlinweit auf Platz 3, zusammen mit Reinickendorf. Nur in Marzahn-Hellersdorf (11,7%) und Treptow-Köpenick (10,1%) erhielt die AFD mehr Stimmen.

Kleine Ergänzung am 26.5.2014: Die Wahlbeteiligung in Spandau lag bei nur 40,1%. Einzig Lichtenberg (37,2%) und Marzahn-Hellersdorf (33,4%) hatten eine noch geringere Wahlbeteligung. 60 Prozent der Spandauer zeigen also kein Interesse an Politik. Sie nehmen ihr Wahlrecht nicht wahr und öffnen so extremeren Parteien Tür und Tor!

Vorläufige Ergebnisse des Landeswahlleiters Berlin

Partei                  Spandau            Berlin           Deutschland

SPD                     30,2% (+6,7%)   24%            27,3%

CDU                    29,7%(-5,3%)     20%            30,0% (+5,3% CSU)

Grüne                 11,3%(-3,7%)      19,1%          10,7%

Linke                   7,0%(+2,1%)      16,2%          7,4%

AfD                      10,0%(+10%)     7,9%            7%

Piraten                2,5%(+1,7%)      3,2%             1,4%

FDP                     2,9%(-8%)          2,8%             3,4%

Das Tempelhofer Feld bleibt unverändert!

Ein weiteres Berliner Wahlergebnis überrascht in seiner Deutlichkeit. Offensicht wollen die Berliner Wähler keine Veränderung am Tempelhofer Feld. Es bleibt, wie es ist. 300 Hektar sollen weiterhin Parkfläche bleiben. In keinem Bezirk gab es Zustimmung zur Vorlage des Senats. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hatte vor der Wahl in einem Interview mit dem RBB angekündigt, das Wahlergebnis in jedem Fall zu respektieren.

  • 64,5 Prozent der Berliner lehnen jede Veränderung ab.
  • 59,9 Prozent der Berliner lehnen die Senatspläne ausdrücklich ab.

 

About Ralf Salecker

Ralf Salecker, freier Fotograf und Journalist (www.salecker.info)