Making of des Siegerbildes
Spandaus größter Fotowettbewerb, der Spandauer Foto-Kunst-Lauf 2013 im Rahmen der Spandauer Altstadtmeile ist schon ein Weilchen vorbei. Nun stellen wir auch die Gewinnerbilder nach und nach online, um all denjenigen die Gelegenheit zu bieten, sich die Bilder anzuschauen, die keine Zeit hatten, die Ausstellung in den Arcaden zu besuchen.
Peter Neubrandt, dem es gelang, die Publikumsjury und unabhängig davon auch die Altstadtjury zu überzeugen, hat freundlicherweise den Weg von der Idee bis zum fertigen Panoramabild beschrieben, welches er vom Turm der Nikolai-Kirche mit Blick über die Spandauer Altstadt in Richtung Rathaus Spandau aufgenommen hat. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen. Möglicherweise inspiriert es auch andere, sich der Panoramafotografie zu widmen.
Ralf Salecker
Erstkontakt
Nachdem ich vor einigen Jahren mein Interesse für die Fotografie entdeckt hatte, fand ich eines Tages beim Durchstöbern diverser Fotoforen im Internet Seiten, auf denen sog. Panoramafotos zu sehen waren. Diese schienen den gesamten Raum um die Kamera herum abzubilden, als würde man die aufgenommene Umgebung selbst interaktiv erkunden können. Bilder dieser Art hatte ich niemals zuvor gesehen und war durch die unkonventionelle Darstellung auf diesen Bildern sehr beeindruckt.
Ich begann zu recherchieren, wie diese Aufnahmen angefertigt werden und fand heraus, dass diese Panoramen aus mehreren Bildern bestehen, die später am Computer zusammengesetzt werden. Man montiert die Kamera auf ein festes Stativ, macht ein Bild, dreht die Kamera ein Stück und macht das nächste Bild. Hat man die Kamera auf diesem Weg um volle 360° gedreht, ist der gesamte Bereich um die Kamera horizontal abgescannt. Nun kippt bzw. senkt man die Kamera, um den Himmel sowie den Boden ebenfalls zu fotografieren und das abwechselnde Fotografieren und Drehen beginnt erneut. So fährt man fort, bis das gesamte Umfeld im Kasten ist.
Anfangsschwierigkeiten
Zu meinem Bedauern fand ich nach einigem Herumprobieren heraus, dass der Versuch, Panoramen ohne einen speziellen Stativkopf aufzunehmen, zum Scheitern verurteilt ist, da zwischen den Einzelbildern jeweils ein Versatz entsteht, der die nachträgliche Montage der Bilder verhindert. Um diesen Versatz zu vermeiden, benötigt man einen sog. Panoramakopf, auch Nodalpunktadapter genannt. Zudem fand ich heraus, dass die Verwendung eines Objektivs mit möglichst geringer Brennweite die Anzahl der anzufertigenden Bilder verringert, da hiermit auf einem Foto mehr „Umgebung“ abgebildet werden kann. Annähernd jeder, der Panoramen aufnahm, verwendete daher ein Fischaugenobjektiv mit einer Brennweite von 8mm bis 10mm.
Nachdem ich mich mit der Zeit mit der Materie vertraut gemacht hatte, musste ich nun unbedingt probieren, eigene Panoramabilder aufzunehmen. Da ich dafür zusätzliches Material, wie den Panoramakopf, ein Fischaugenobjektiv, ein Stativ und spezielle Software benötigte, war wieder einmal Sparen angesagt, bis ich aus Onlineauktionen und osteuropäischen Onlineshops alles Benötigte zusammen hatte. Mit dem erworbenen Equipment und viel Probieren gelang es mir tatsächlich, immer bessere Panoramabilder aufzunehmen. Ich begann, diese in einer Community für Panoramafotografie online zu präsentieren und erntete zunehmend bessere Kritiken anderer Panoramafotografen.
Neuland
Als ich dachte, allen Herausforderungen im Bereich der Panoramafotografie gewachsen zu sein, kam es wie es kommen musste und ich entdeckte ein Panoramabild, dessen Entstehung ich mir nicht erklären konnte:
http://www.viewat.org/?i=en&id_pn=14224&md=fv&sec=pn
Mal wieder war ich schwer von der Leistung eines Fotografen beeindruckt. Mit der von mir mittlerweile verwendeten Kombination aus Dreibeinstativ, Kugelkopf, Nodalpunktadapter und Kamera mit aufgesetztem Fischauge konnte das Bild unter keinen Umständen entstanden sein. Wie schon zuvor musste ich einfach herausfinden, wie er dieses Bild aufgenommen hatte und ich begann erneut zu recherchieren. Da es nur sehr wenige Fotografen zu geben schien, die diese Technik beherrschten, war es sehr schwierig, Informationen darüber zu erhalten. Nach einiger Suche und einigem Nachdenken wusste ich letztendlich doch, wie es funktionieren musste und der nächste Einkauf, der diesmal vergleichsweise einfach ausfallen sollte, stand an. Alles was ich brauchte, war ein stabiles Einbeinstativ und ein Kamerafernauslöser.
Technische Lösung
Ich hatte vor, Panoramakopf und Kamera an das Einbein zu schrauben und dieses waagerecht von mir weg zu halten. Die Kamera musste ich ferngesteuert auslösen, da sich diese ja am anderen Ende des Stativs befinden sollte. Die Drehung der Kamera zwischen den einzelnen Bildern wollte ich durch einfaches Drehen des Einbeinstativs um seine Längsachse erreichen. So würde die Notwendigkeit entfallen, das Dreibeinstativ auf festen Untergrund stellen zu müssen.
Da ich befürchtete, dass sich das Einbein unter den Gewicht des Kopfes und der Kamera durchbiegen würde, ging ich zu einem Elektronikmarkt, um die dort angebotenen Einbeinstative auf ihre Stabilität zu testen. Die freundliche Frage eines Verkäufers, ob er mir helfen könne, bejahte ich ausnahmsweise und bat ihn, mir eine Kamera aus der verschlossenen Vitrine zu geben, um diese auf das stabilste Einbein zu schrauben, das dieser Markt im Angebot hatte. Ich schätzte, dass das Gewicht dieser High-End-Kamera mit aufgesetztem Objektiv in etwa dem meiner aus Kunststoff gefertigten Einsteigerkamera nebst Objektiv und Panoramakopf entsprechen müsste. Bis heute plagt mich mein Gewissen darüber, den Verkäufer nicht im Vorfeld über den geplanten Stabilitätstest informiert zu haben, denn als die Kamera auf dem Einbein festgeschraubt war, hielt ich diese waagerecht und schüttelnd von mir weg. So wollte ich prüfen, ob sich das Stativ unter dem Gewicht der Kamera durchbog. Gleichzeitig erklärte ich dem Verkäufer den Zweck meines Verhaltens. Dieser bewies erstklassige Reflexe, indem er seine Hände pfeilschnell unter die Kamera hielt, um ein eventuelles Herunterfallen zu verhindern. Selbst seine sichtlich zunehmende Anspannung ließ ihn die Fassung wahren und er fragte, ob mir Stabilität des Einbeinstativs zusage. Da sich das Stativ deutlich durchbog, verneinte ich, bedankte mich für die Betreuung und machte mich auf die Suche nach etwas Stabilerem. Nach einiger Suche fand ich später in einem Fachgeschäft ein Einbeinstativ, das die für meine Zwecke erforderliche Stabilität bot.
Da das Stativ nun gekauft war, musste ich mir lediglich noch die Möglichkeit schaffen, die Kamera auszulösen, während diese sich etwa 1,5 Meter von mir entfernt am anderen Ende des Einbeinstativs befand. Eine Kabelfernauslösung in der gewünschten Länge war leider nicht erhältlich. Daher musste ich das Kabel eines regulären Fernauslösers verlängern, was mit einem 2,5mm Klinkenstecker, der dazugehörigen Buchse, einem alten Audiokabel und mit freundlicher Unterstützung eines Freundes, der im Gegensatz zu mir etwas vom Löten versteht, gelang.
Zusammengebaut beinhaltete meine Konstruktion nun eine Kamera mit 8mm-Objektiv, die auf einem Nodalpunktadapter montiert und auf einem Einbeinstativ befestigt war und sich zusätzlich mittels Fernauslöser bedienen ließ. Aus Sorge, ich könnte die Ausrüstung aus Unachtsamkeit fallen lassen, befestigte ich noch eine Handschlaufe am Ende des Stativs.
So ausgerüstet war ich bereit für eine Testaufnahme auf meinem Balkon. Wie geplant hielt ich das Stativ waagerecht über die Brüstung hinaus und begann zu fotografieren. Ich nahm jedes Bild in drei verschiedenen Belichtungen auf, um Über- und Unterbelichtungen in der Nachbearbeitung korrigieren zu können. Zwischen den einzelnen Aufnahmen drehte ich das Stativ um etwa 45°. Später am PC setzte ich die Bilder zusammen und siehe da, es klappte. Nach einiger Retusche wirkte das Bild, als hätte die Kamera bei der Aufnahme vor meinem Balkon geschwebt.
Über den Dächern Spandaus
Nun war es an der Zeit, die für mich neue Technik auf einem etwas anderen Niveau auszuprobieren. So beschloss ich, an einer Führung durch die Kirche der Spandauer St. Nikolai-Gemeinde teilzunehmen und ein Panorama von der Aussichtsplattform aus zu fotografieren. So lief ich an einem sonnigen Tag zur Kirche und schloss mich einigen Touristen an, die sich ebenfalls für die Führung interessierten. Die wirklich interessant moderierte Tour durch das beeindruckende Gebäude wurde wie erwartet von einem Aufenthalt auf der Plattform des Kirchturms gekrönt. Oben angekommen, bereitete ich mein Equipment für die Aufnahmen vor.
Neugierige Blicke anderer Personen begleiten wohl viele Fotografen während der Arbeit, allerdings zog ich diesmal annähernd alle Blicke auf mich, als ich mein langes Stativ über die Brüstung nach draußen schob. Ich ließ mich jedoch nicht beirren und fotografierte wie bereits zuvor auf meinem Balkon drauf los. Nachdem ich die Kamera mit acht Aufnahmen ( in jeweils drei verschiedenen Belichtungen ) einmal um sich selbst gedreht hatte, fehlte lediglich noch Bildmaterial, das mir in der Nachbearbeitung erlauben würde, mich selbst und die Touristen vom Bild zu entfernen. So trat ich ein Stück beiseite und zielte mit der Kamera, die noch immer über dem Abgrund hing, auf die Stelle, an der ich zuvor gestanden hatte. Ich passte die Momente ab, in denen sich einzelne Bereiche der Plattform ohne Menschen fotografieren ließen, und nahm noch etwa fünf Bilder von der Plattform selbst auf. Da die Bilder nun im Kasten waren, ging es wieder an die Nachbearbeitung.
Die Arbeit hört nicht auf
Beim Zusammenfügen der einzelnen Bilder einer Belichtungsstufe wurde ich schmerzlich an die Notwendigkeit eines Nodalpunktadapters in der Panoramafotografie erinnert, denn die Bilder wollten einfach nicht zusammenpassen. Dadurch, dass ich die Kamera beim Fotografieren am langen Einbeinstativ leider nicht allzu stabil halten konnte, entstand zwischen den Bildern der gefürchtete Versatz, der eine Montage unter Umständen ausschließt. Vom Ehrgeiz getrieben schlug ich mir viele Stunden um die Ohren, um diverse Fehler in der Montage mit dem beliebten Kopierstempel und anderen manuellen Tricks verschwinden zu lassen. Nachdem dies einige schlaflose Nächte später gelungen war, machte ich mich an die anderen beiden Belichtungsstufen, die ich für die weitere Retusche benötigte. So investierte ich noch einmal viel Zeit, wurde dafür aber mit einem guten Ergebnis belohnt:
http://www.viewat.org/?i=en&id_aut=4064&id_pn=14575&md=vt&pag=2&sec=pn
Für die Teilnahme am Spandauer Foto-Kunst-Lauf suchte ich nun nach einer Möglichkeit, das Bild in eine Form zu bringen, in der es ansehnlich gedruckt werden konnte. Nach einigem Experimentieren beschloss ich, es in eine sog. stereografische Projektion umzuwandeln. Ähnlich einer Weltkarte in einem Atlas, auf der die Breiten- und Längengrade verzerrt dargestellt werden, um die Oberfläche einer Kugel auf einem Blatt Papier abbilden zu können, wird bei dieser Form der Darstellung der Bildinhalt so weit verzerrt, dass er sich annähernd vollständig zweidimensional darstellen lässt. So erklärt es sich, dass sich auf dem Bild keine wirklich gerade Linie befindet. Diese ungewöhnliche Form der Darstellung sorgt beim Betrachter immer wieder für Staunen, da die Welt, wie wir sie normalerweise sehen, aus einem anderen Blickwinkel präsentiert wird.
Peter Neubrandt
Verwandte Beiträge
- Spandauer Fotowettbewerb – Ausstellung und Zuschauervoting
- Spandauer Foto-Kunst-Lauf 2013 – Publikums-Voting hat begonnen
- Prämierung der Gewinner des Spandauer Foto-Kunst-Lauf 2013
Jetzt schon an Weihnachten denken! Ein wunderbares Geschenk aus und über Spandau!
Ab sofort im gut sortierten Buch- und Zeitschriftenhandel in Spandau erhältlich.
3 neue Spandau-Postkarten aus der Serie „Unterwegs in Spandau“
zu haben, bei jedem gut sortierten Buch- und Zeitungshandel,
sowie im Gotischen Haus in der Spandauer Altstadt